Heft 
(2019) 108
Seite
10
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10 Fontane Blätter 108 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes ­rationalistischer Konsistorialrat ist, wo dann die alten Konfirmandinnen kommen, daß jemand dabei ›mit Liebe‹ behandelt oder auch nur ange­kuckt worden ist? Ich nicht. Ich will es auch nicht ändern, es amüsiert mich auch bloß, daß es so ist, wie es ist, ich will nur nicht ein feierliches Gesicht schneiden, aus dem man den Schluß ziehen könnte, ich glaubte an all dergleichen. Ich glaube nicht dran. Und deshalb widersteht es mir, irgendwen bei dieser Gelegenheit zu inkommodieren. Die Freiwilligen bin ich artig genug zu respektieren, aber auch nur einen noch durch zu­fällige Namensnennung heranzukratzen, dazu kann ich mich nicht ent­schließen.« Und so werden in dem erzählerischen Werk Theodor Fontanes auch nur zwei Geburtstage wirklich gefeiert und nicht nur erwähnt. Nämlich der des Heidereiters in Ellernklipp und der der alten Majorin in Die Poggenpuhls. Dieser allerdings wird begleitet von der Sorge der verarmten Witwe, wie das alles bezahlt werden könne, 11 jener zum Vorspiel und hier noch ver­deckten Auslöser von Eifersucht, verlorener Selbstkontrolle und Mord. 12 In Graf Petöfy hingegen wird zwar ebenfalls eine Geburtstagsfeier er­wähnt, diese allerdings scheinbar nur beiläufig. In der Langeweile des herbstlichen Lebens auf Schloß Arpa nämlich sucht man»immer neue Mit­tel, um ein sich anmeldendes Unbehagen aus dem Felde zu schlagen. In allen Kaminen brannten riesige Feuer, der kleine Geistliche, wenn er zur Unter­richtsstunde kam, ward über den halben Tag hin festgehalten, und die kaum dreijährige Marischka, Toldys Jüngste, sah ihren Geburtstag gefeiert, als ob sie wenigstens eine Prinzeß gewesen wäre.« 13 Doch dieses kleine Mäd­chen ist es dann auch, dessen Entführung und die Suche nach ihr zur Liebe­sepisode zwischen der jungen Gräfin Franziska und dem Grafen Asperg, dem Neffen ihres Ehemannes Adam Petöfy, führt und damit letztendlich zu dessen Tod. Wie fein Theodor Fontane immer wieder Geburtstag und Tod verknüpft, zeigt sich auch in Unwiederbringlich. Von einer Feier zum Geburtstag des von seiner Frau geschiedenen, nun einsam in London lebenden Grafen Holk kann natürlich keine Rede sein, doch»allerlei Liebes und Freundliches« darf er dem Geburtstagbrief seines Schwagers entnehmen, der, um das»alte Glück« zu erneuern, eine Aussöhnung und Wiederverheiratung initiiert. 14 Damit zugleich aber wird trotz der besten Absichten aller ein Prozeß in Gang gesetzt, welcher zuletzt die Gräfin ins Meer und in den Tod führt. Einen Hinweis erhalten wir Leser schon früh: Nur zu verständlich ist es, daß eine Mutter ihr totes Kind besucht, und sei es nur»zweimal im Jahr«, weil sie»von der Gruft nichts wissen will und eine Scheu hat, sie zu betre­ten«, und»ihren Kranz auf den Sarg« legt, und zwar»an seinem Geburtstag und an seinem Sterbetag.« 15 Ähnlich direkt hat Theodor Fontane diese besondere Verflochtenheit be­reits in Unterm Birnbaum angesprochen:»Du hier, Ursel! Und Kränze! Wer