»Ich kann den Tag nicht wie jeden andern vorübergehn lassen« Wolpert 13 Exkurs Denn ein ganz eigenes Thema, das allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, bilden die unzähligen Gelegenheitsgedichte, die Theodor Fontane zu Geburtstagen geschrieben hat. Fast einhundert davon haben sich allein im Nachlaß erhalten; 24 dazu kommen die beiden publizierten Gedichte zum 70. Geburtstag Bismarcks, Jung-Bismarck und Zeus in Mission, sowie Auf der Treppe von Sanssouci zu Menzels 70. Geburtstag. 25 Die allermeisten dieser sogenannten Gelegenheitsgedichte sind der Ehefrau Emilie gewidmet, das erste aus dem Jahr 1852, das letzte zum 14. November 1897; von seinen Kindern wurde – so die Überlieferung nicht täuscht – nur der Erstgeborene bedacht. Neben Geburtstagsversen an die Mutter und Schwester Elise sind vor allem die Toaste an Freunde zu nennen, u.a. an Bernhard von Lepel, Mathilde von Rohr, Emilie und Karl Zöllner, Wilhelm von Merckel, August von Heyden, Paul Heyse, Theodor Storm, Friedrich Eggers und Richard Lucae. In dem Geburtstagsgedicht an diesen zum 12. April 1860 thematisieren gleich die Eingangsverse, wie schwer Fontane diese spezielle Herausforderung an seine Kreativität auch immer wieder gefallen sein muß: »Hilf mir, Apoll, und willst du nicht, So hilf du mir, Konfuze, Vor allem Hülfe! ich brauch ein Gedicht Auf unsern Richard Lucae.« 26 Das Erstaunliche an diesen Gedichten sind tatsächlich ihre Vielstimmigkeit, die immer neuen Ideen, das feine Eingehen auf den Empfänger, der Variationsreichtum, die meist leicht mitschwingende Ironie, der immer wieder aufblitzende Sarkasmus. Ganz anders nämlich als die Geburtstagsgedichte, die, selbst wenn Fontane ihn tief Berührendes anspricht, wie in dem ersten nach seiner Kriegsgefangenschaft der Ehefrau gewidmeten: »Nun wieder geborgen, wieder daheim, Fest auf dem alten Rutenleim, Statt franco-oléronischer Haft Eine andre Sorte Gefangenschaft. Gefangen, gekettet, ob nah, ob fern, Doch trage ich diese Kette gern, Und wünsch all’ Stunde jeden Tag, Daß sie noch lange halten mag!« 27 klingt da beispielsweise das Gedicht zu einer Taufe, der Taufe von Dorothee Wichmann:
Heft
(2019) 108
Seite
13
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