Heft 
(2019) 108
Seite
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»Meine beiden Freunde: Goethe und Fontane« Muhs 33 »Meine beiden Freunde: Goethe und Fontane«. Johannes Popitz Aufzeichnungen aus der Todeszelle Herausgegeben und eingeleitet von Rudolf Muhs »Madame Roland, auf dem Blutgerüste, verlangte Schreibzeug, um die ganz besondern Gedanken aufzuschreiben, die ihr auf dem letzten Wege vorge­schwebt. Schade, daß man ihrs versagte; denn am Ende des Lebens gehen dem gefaßten Geiste Gedanken auf, bisher undenkbare; sie sind wie selige Dämonen, die sich auf den Gipfeln der Vergangenheit glänzend niederlas­sen.« So Goethe in seinen Maximen und Reflexionen über eine Begebenheit aus der Zeit der Französischen Revolution. 1 Bei Fontane geht es erwartungs­gemäß weniger erhaben zu, wenn er im Stechlin den Fabrikanten Gunder­mann, der den bei der Reichstagswahl unterlegenen Titelhelden hochleben lassen soll, von»einer dicken Klempnermadamm« erzählen läßt, die,»nach­dem sie sich in ihren Lehrburschen verliebt, ihren Mann, einen würdigen Klempnermeister, vergiftet hatte.« Dank seiner Verbindungen, so fährt der äußerst unsympathisch gezeichnete Emporkömmling fort, sei es ihm, ob­wohl damals noch Student, gelungen, der Hinrichtung beizuwohnen.»Und als sie nun, ich meine die Delinquentin, all die jungen Referendare sah, wo­bei ihr wohl ihr Lehrling einfallen mochte... da trat sie ganz nahe an den Schafottrand heran und nickte uns zu(ich sage ›uns‹, weil sie mich auch an­sah) und sagte: ›Ja, ja, meine jungen Herrens, dat kommt davon...« 2 Dem Mann, dessen Aufzeichnungen aus der Todeszelle nachfolgend vorgestellt werden sollen, dürften diese beiden Zitate wohlbekannt gewe­sen sein. Der Jurist Johannes Popitz, 1884 in Leipzig geboren und schon während der Weimarer Republik als leitender Fachbeamter hoch geschätzt, war nach der Machtergreifung 1933, ohne allerdings der NSDAP beizutre­ten, zum preußischen Finanzminister ernannt worden. Die Mitgliedschaft wurde ihm dann 1937»ehrenhalber«, zusammen mit dem»Goldenen Par­teiabzeichen«, verliehen. Nach anfänglicher Zustimmung verfolgte Popitz, seiner herausgehobenen Stellung ungeachtet, die Politik des Dritten Rei­ches mit zunehmender Distanz und schloß sich schließlich der Verschwö­rung gegen Hitler an. Nach deren Scheitern wurde er am 21. Juli 1944 ver­haftet, und Anfang Oktober verurteilte ihn der sogenannte Volksgerichtshof