Heft 
(2019) 108
Seite
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34 Fontane Blätter 108 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes zum Tod durch den Strang. In der Galgenfrist bis zu seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945 entstanden die nachfolgend abgedruckten,»für meine Kin­der« bestimmten Aufzeichnungen, denen Popitz den Titel gab:»Meine bei­den Freunde Goethe und Fontane«. 3 Als»privilegierter« Häftling, der im Gefängnis weiter Akten seines Mi­nisteriums bearbeitete, konnte Popitz Besuch empfangen, sich Bücher brin­gen lassen und eben auch dieses Vermächtnis an seine Angehörigen über­mitteln. Auf einem Fronturlaub hat es sogar sein ältester Sohn noch zu lesen bekommen, der dann kurz vor Kriegsende fallen sollte. Das Manuskript be­steht aus drei Foliobögen, doppelseitig und engzeilig mit dickem Blaustift beschrieben, was in Verbindung mit einer kleinformatigen Handschrift die Entzifferung äußerst mühsam macht. Abgesehen von einigen nachträgli­chen Ergänzungen am Rand ist der Text in einem Zug, fast ohne Ausstrei­chungen oder Korrekturen niedergeschrieben worden, was auf nicht über­lieferte Vorentwürfe schließen lässt. Längere Zitate deuten darauf hin, dass Popitz bei der Abfassung einiges an Goethes Schriften sowie der Briefwech­sel mit Zelter zur Verfügung gestanden haben muss, während die Ausfüh­rungen über Fontane offenbar einzig auf sein Gedächtnis gestützt sind, des­gleichen die Verweise auf damals aktuelle Studien zur Goetheforschung. Inhaltlich mit einem Text zu rechten, der als Bekenntnis in einer existen­tiellen Grenzsituation entstanden ist, wäre unangebracht. Gerade in ihrer Zeitgebundenheit bildet die Ausarbeitung aber ein wertvolles Zeugnis für die Welt des deutschen Bildungsbürgertums in der ersten Hälfte des 20.  Jahrhunderts. Popitz Belesenheit und sein literarisches Urteilsvermö­gen sind ebenso beeindruckend wie die Tatsache, dass er, den eigenen Tod vor Augen, noch die Notwendigkeit einer kritischen Gesamtausgabe von Fontanes Werken anmahnt. Deren Abschluss steht ein Dreivierteljahrhun­dert später weiterhin aus, ist aber immerhin ein gutes Stück näher gerückt. Erstaunlich bleibt ferner, dass der preußische Finanzminister mitten im Zweiten Weltkrieg nicht nur das Interesse, sondern auch die Zeit aufbrachte, sich außer mit Umsturzplänen noch mit der 1940 erschienenen Edition des Freundschaftsbriefwechsels zwischen Fontane und Bernhard von Lepel zu befassen. 4 Mit dessen Herausgeber Julius Petersen, einem Mitbegründer der wis­senschaftlichen Fontanephilologie und langjährigen Vorsitzenden der Goe­the­gesellschaft, verband Popitz allerdings eine persönliche Bekanntschaft. Beide gehörten der Mittwochsgesellschaft an, einem altetablierten Zirkel von führenden Berliner Intellektuellen, der während des Dritten Reiches eine regimeferne Geistigkeit pflegte. 5 Außer Popitz gingen noch etliche sei­ner Mitglieder schließlich darüber hinaus und stießen zum aktiven Wider­stand, während die Mehrzahl sich demonstrativ angepasst verhielt. Das gilt namentlich für den bereits 1941 verstorbenen Petersen, der öffentlich in