Heft 
(2019) 108
Seite
51
Einzelbild herunterladen

Rückblick: Ein Besuch im Fontanearchiv 1969  Brosig 51 gesellschafts- und adelskritischen Äußerungen unterfüttert hatte, ließ sich Fontane in eine»humanistische« Erbelinie integrieren, in der der Literatur des Bürgerlichen Realismus ein wesentlicher Platz zukam. An diese Linie knüpfte auch Hans-Heinrich Reuter an, nicht ohne sich von Lukács zu dis­tanzieren, dessen Deutungshoheit für die Literaturwissenschaft der DDR seit 1956 storniert worden war. Seine Biographie unterwarf Fontanes Le­ben und Werk einer finalen Konstruktion, in der dessen Gesellschaftsroma­ne seismografische Wegmarken bildeten, die zum politischen Testament des Dichters führten, das Lukács im sogenannten»revolutionären Diskurs« 8 des Stechlin- Romans vorformuliert sah. Die These von der Einlösung des Fontaneschen Erbes in der DDR ent­sprach dieser prospektiven Deutung und wurde im Jahr des Zusammen­falls von Fontanes 150. Geburtstag mit dem 20. Jahrestag der DDR-Staats­gründung noch einmal und so vehement wie danach nicht mehr proklamiert. Zur kulturpolitischen Eingemeindung des Autors in die DDR gehörte indes auch die Abgrenzung gegenüber der westdeutschen Fontane-Rezeption. Sie war Teil einer Rhetorik, die zum Staatsjubiläum nationale Führung und Weltoffenheit zugleich demonstrierte und sich dabei auch auf einen»Be­such im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv« berief.