Rückblick: Ein Besuch im Fontanearchiv 1969 Brosig 55 Moderator: In der Tat. Das Fontane-Archiv, eins der Symbole für die Pflege und systematische Vermittlung humanistischen Erbes des sozialistischen deutschen Staates, ist seit geraumer Zeit schon Mittelpunkt internationaler Beschäftigung mit dem Werk des Dichters. In beinahe 25-jähriger Arbeit ist hier mit enormer finanzieller Unterstützung die bedeutendste FontaneSammlung entstanden, die es überhaupt gibt. Wer das Potsdamer Archiv, das seit einem Jahr zur Deutschen Staatbibliothek Berlin gehört, heute besucht, sieht sich mit Schätzen konfrontiert, die die beschränkten Räumlichkeiten kaum noch fassen können. Die Leistung, die da mit wissenschaftlicher Hingabe vollbracht wurde, wird nicht zuletzt an der Geschichte dieses Archivs ablesbar. An den nüchternen Angaben, die das Wachsen des Bestandes seit Existenz der DDR belegen. Joachim Schobeß, seit zwei Jahrzehnten umsichtiger und gerühmter Verwalter der Stätte, berichtet: Joachim Schobeß: Theodor Fontane starb am 20. September 1898 und er hatte testamentarisch festgelegt, dass die veröffentlichten Handschriften in das Märkische Museum kommen. Und die unveröffentlichten Handschriften, es war eine sehr große Zahl, wurden von der damaligen Nachlasskommission verwaltet. Diese Nachlasskommission bestand aus der Tochter Theodor Fontanes, Martha Fritsch, dem Literaturhistoriker Paul Schlenther und dem Juristen Paul Meyer. Die Nachlasskommission wirkte bis zum Jahre 1916, dem Todesjahr der Tochter Theodor Fontanes. Anschließend gründeten die Söhne Theodor Fontanes, insbesondere der jüngste Sohn Friedrich Fontane, der Verlagsbuchhändler war, das Theodor-Fontane-Archiv. Das heißt, sie erschlossen die handschriftlichen Bestände. In der Inflationszeit geriet Friedrich Fontane in finanzielle Schwierigkeiten und konnte die Erschließung, dazu gehörte also auch die Erfassung der Zeitungsartikel über den Zeitungsausschnittdienst, nicht fortsetzen. Im Jahre 1935 kaufte dann die damalige Brandenburgische Landesbibliothek, die sich in Berlin befand, das Theodor-Fontane-Archiv, und das Archiv wurde mit der Landesbibliothek 1939 nach Potsdam verlagert. 1943 erfolgte etwas unüberlegt eine erneute Verlagerung der Handschriften in den östlichen Teil der Mark Brandenburg und 1945 bis 1947 entstanden große Verluste. Reporter: Weiß man eigentlich, wie umfangreich der Nachlass war? Joachim Schobeß: Friedrich Fontane hatte 1933 in seinem Besitz 20.000 handschriftliche Seiten des Dichters. Das war also in erster Linie unveröffentlichtes Material und das war der größte Teil des Nachlasses. Hier sind also nicht die Handschriften des Märkischen Museums eingeschlossen. Das kann ich also nicht abschätzen. Wir haben heute wieder 2.000 Autografe und Manuskripte mit 15.000 Seiten. Wir haben also das Archiv, das entweder am Auslagerungsort oder auch in Potsdam Verlust erlitten hatte,
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(2019) 108
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55
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