Heft 
(2019) 108
Seite
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Rückblick: Ein Besuch im Fontanearchiv 1969  Brosig 59 Moderator: Ein weiteres Beispiel: 1968 legte Gotthard Erler im Aufbau-Ver­lag eine zweibändige Auswahl der Fontane-Briefe vor. Ergänzung der fünf­bändigen Werksammlung, die schon vorher in der Bibliothek Deutscher Klassiker erschienen war. Auch sie, zuverlässig wie nur ganz wenige Briefe­ditionen, ist ohne das Potsdamer Archiv nicht denkbar. Immerhin ging dem Unternehmen eine sensationelle Entdeckung voraus: Bei vergleichenden Un­tersuchungen im Archiv hatte Hans-Heinrich Reuter vor ein paar Jahren entdeckt, dass frühere Sammlungen dieser Art wissenschaftlich total wert­los sind. Familienmitglieder und Nachlasserben hatten die Texte bedenken­los amputiert, indem sie Anspielungen auf Zeitgenossen und Zeitumstände einfach mit dem Rotstift tilgen oder, Höhepunkt dieser erschreckenden Fa­milienphilologie, aus zwei Briefen kurzerhand einen herstellten und diesen dann mit einem fiktiven Datum versahen. All diese Verstümmelungen galt es zu beseitigen. Eine Arbeit, die nur anhand der Originale und der Abschrif­ten im Fontane-Archiv geleistet werden konnte. Die Frage liegt nahe: Kann man sagen, dass die Potsdamer Schatzkammer unerlässlich ist für jede künf­tige Fontane-Edition und-Publikation? Joachim Schobeß: Das möchte ich annehmen. Wir haben heute wieder den größten Bestand an Fontane-Handschriften, aber auch an Fontane-Litera­tur. Und der Beweis ist ja die weltweite Benutzung des Archivs. Wir haben also Forscher und Doktoranden aus Übersee fast in jedem Jahr bei uns, die also acht, vierzehn[Tage] 10 , manchmal sogar drei Wochen bei uns arbeiten. Ja, auch aus Westdeutschland haben wir Benutzer. Reporter: Mit anderen Worten: Das Fontane-Archiv ist auch eine Stätte der internationalen Fontane-Forschung geworden. Aus welchen Ländern kom­men die Besucher? Joachim Schobeß: Ja, Sie haben sich ja schon das Gästebuch angesehen. Sie finden hier Eintragungen von Germanisten aus Bulgarien, Polen, aber auch aus Australien, England, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und auch aus Westdeutschland und auch aus Westberlin. Schwerpunkte unserer Zusam­menarbeit haben wir mit den Universitäten Pozna, hier Lehrstuhlinhaber Professor Dr. Kodera, und vor allem mit der Universität Paris, hier ist Lehr­stuhlinhaber für Germanistik der Professor Dr. Sagave. Reporter: Darüber hinaus bekommen Sie sicherlich auch Anfragen schrift­licher oder mündlicher Art. Joachim Schobeß: Ich habe in diesem Jahr 1969 118 schriftliche Auskünfte erteilt. Auch ins Ausland und nach Westdeutschland.