Fontane und … Fontane Berbig 67 lierte, 4 hatte eine Geldbuße von 300 Talern zu entrichten und übers Jahr seinen Abschied zu nehmen. 5 Den besiegelte Fournier am 25. September 1870 mit der Predigt,»wie wir in der Gottseligkeit das sicherste und wirksamste Mittel finden, ein ruhiges und stilles Leben zu führen« 6 : erhobenen Hauptes, frei von Demut, sich und seiner(kirchenpraktisch überholten) Sache gewiss. Fontane dachte nicht daran, wegen der Geschichte den Stab über Fourniers Haupt zu brechen.»[S]trenggläubig« sei der gewesen, durch »und durch ›Figur‹«,»noch ganz von der alten Garde«,»klug und vornehm«. 7 Das hatte Rang, Vorrang und Anteil, dass Fontanesich seiner hugenottischen Wurzeln bewusst blieb: eingemeindet französisch-reformiert, der »Kolonie« verpflichtet. Eine Seite seines Seins, auf dem Grund gelagert, zeitweilig nur abgelagert – von ihm bedacht, von uns zu bedenken. 2 Fontane und … Fontane: Damit ist noch einmal die Frage gestellt, mit wem wir es überhaupt zu tun haben. Alle Welt weiß(momentan) von ihm, aber was sollte die Welt von ihm wissen und auf welchem Weg davon erfahren? Wie sah er sich, wie wollte er gesehen werden? Was war ihm wert, was konnte ihm gestohlen bleiben? Das sind Fragen, ihre Antworten liegen nicht auf der Hand. Sie weisen ins Autobiographische und sind Wegweiser in sein Werk. Der heterogene Charakter dieses Werkes spiegelt auch die eigenbiographischen Segmente, die es beinhaltet, fädengleich. Greifen wir uns einen, einen naheliegenden. Ende 1891 nahm Fontane, nach zweijähriger Unterbrechung, wieder das Tagebuchschreiben auf. Doch im sich anschließenden Jahr 1892 war an weitere Tagesnotizen nicht zu denken, ein»bitteres Jahr für mich«, heißt es in der knappen Jahresübersicht.»Wie die ersten Wintermonate vergingen, habe ich vergessen.« 8 Eine»Influenza« im März, in der»ich[…] schreckliche Zustände durchmachen mußte«, dann vier Monate im Riesengebirge,»ganz elend, beinah schlaflos«, Rückkehr nach Berlin,»Blutleere im Gehirn«, Schwindelzustände – aber endlich: Besserung trat ein, er begann»mit dem Niederschreiben einer ›Biographie‹ von mir«. Als Ausschnitt habe er»›meine Kinderjahre‹(bis 1832)[gewählt] und darf sagen, mich an diesem Buch wieder gesund geschrieben zu haben.« 9 Das ist viel zitiert und pointiert formuliert. Es sei gar der Hausarzt gewesen, der ihn ermuntert habe, wenn es mit dem Romanschreiben nicht klappe, das eigene Leben zu schildern.»Fangen Sie gleich morgen mit der Kinderzeit an!« 10 Die Handschrift dieser Kindheitserinnerungen liegt im Stadtmuseum Berlin,»teilweise stark korrigiert und kaum zu entziffern, mit aufgeklebten Zetteln, auf denen frühere Entwurfsstufen erhalten sind« 11 . Sie weiche, schreibt Herausgeber Gotthard Erler in seiner Ausgabe von 1983, vom Druck ab. Schreibkärrnerarbeit an einer Selbstdarstellung, die an den Daseinsbeginn zurückgeht. Dort, wo
Heft
(2019) 108
Seite
67
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