Heft 
(2019) 108
Seite
76
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76 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte In diese Ich-Konstituierung, die es ist, fügt sich sinnfällig der Schluss des zweiten Frankreich-Buches Aus den Tagen der Occupation. Er ist Napole­on III. gewidmet, dem geschlagenen französischen Kaiser, zeitweilig selbst kriegsgefangen in Kassel-Wilhelmshöh. Dem Erzähler ist es darum zu tun, sich abzuheben von jener Hasssprache, mit der der Neffe des großen Napo­leon in deutschen Zeitungsspalten überschüttet wurde. Dafür zitiert er, stellvertretend, eine verbale Entgleisung seines Kollegen Johannes Scherr (1817–1886) und kommentiert lakonisch:»Seine Entrüstungssprache liegt jenseits meiner Kraft.« 55 Das Schicksal des französischen Kaisers und das steht am Ende der beiden ersten autobiographischen Bücher Fontanes sei eine still-ernste Mahnung,»das Diesseitige nach dem Jenseitigen zu gestal­ten.« 56 Der solche Sätze niederschrieb, rechnete mit keinem vaterländischen Lorbeer, aber mit Leser- und öffentlichem Interesse. 57 Das Ich, jene ge- und erfundene literarische Figur, hatte darauf spekuliert. Kriegsgefangen wur­de ins Russische übersetzt, beide Bücher machten»Glück«, wie das Tage­buch 1871 festhielt, versehen mit dem Zusatz»so weit etwas, das bei Decker erscheint, überhaupt Glück machen kann.« November 1872 hatte Emilie Fontane, die sie sammelte, über 50 Besprechungen in der Mappe. 58 Mit seiner Vorahnung, es werde bei einem»nine days wonder« 59 blei­ben, behielt Fontane Recht. Der äußere Ruhm war kurzlebig.»Berühmt­heit«, wird er mehr als zwei Jahrzehnte später bemerken,»ist ein Zeitungs­resultat.[] Das Hohle von Ruhm und Ehre drückt[] tief nieder[].« 60 Mitte der siebziger Jahre erschien erst eine längere öffentliche Würdigung über ihn, Abfallprodukt einer entstehenden Literaturgeschichte dessen Verfasser, Robert König, eine mediokre wissenschaftliche Erscheinung. 61 Fontane selbst arbeitete sein noch ausstehendes Auftragsprogramm als ›vaterländischer Schriftsteller‹ ab, Prozess einer Loslösung aus politischen Bindungen und einer Annäherung an persönliche Schreibgebundenheit. Zu diesem Restprogramm gehörte noch das dritte Kriegsbuch:»Dann«, so gegenüber Karl Eggers Juli 1875,»weg ›mit´s Milletär‹ und wieder ein civi­ler Civilist.« 62 Es erschien zwischen 1873 und 1876 in zwei Bänden und vier Teilen, opulent, ein Opus für sich. Nur wenige Tage nach seiner Freilassung war Fontane klar, dass es sich von dem bisher Geschriebenen unterschei­den werde: Noch Ende September, als ich meine Reise antrat, blickte ich auf das Buch[der Schilderung des Krieges 1870/71] wie auf eine schwere Arbeit, jetzt blicke ich auf dasselbe wie auf eine freudige,[]. Die Dinge haben sich so gestaltet,[] daß wie von selber ein Werk entstehen wird, das mit den beiden vorhergehenden wenig Ähnlichkeit haben wird, es muß sich lesen wie ein Roman,[] es muß fesseln,[]. 63 Und 1882 sah Fontane, wie er seiner Frau ausführte,»klar ein, daß ich ei­gentlich erst bei dem 70er Kriegsbuche[] ein Schriftsteller geworden bin