80 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte vor, und sind die, die´s tun, entweder Philister oder Prinzipienreiter, was ja oft zusammenfällt. Schluß; mit dem Vornamen zusammen ist doch die leis französierende Aussprache wohl die gewöhnlichste, also auch die praktisch(für den Schulgebrauch) empfehlenswerteste.[…] 79 Das war hübsch formuliert, hatte aber seinen bedenklichen Schallraum. Offenbar war Fontanes Name ein sozialer Indikator, sein Einsatz u nterlag dem eigenen Belieben und Ermessen, aber Fontane war ihm auch ausgeliefert. Dass in ihm das Französische mit dem Deutschen chargierte, passte ins Konzept, war aber auch geeignet, aus dem Konzept bürgerlichen Umgangs zu bringen oder daraus Kapital zu schlagen. Es gewährte Spielraum und war Spielball. Mehrere Identitäten, sanft abweichend, in einem Namen, vielleicht auch das. Die Anrede, eine heikle Größe, tendierte zur Einstufung, die Einstufung bei Fontane zu demonstrativer Abwehr, Nivellement und Indolenz:»Mein Ohr hört nicht mehr darauf, weil eben alles vorkommt.« Eingebürgert habe sich, so die Erwiderung gegenüber einem namensverunsicherten Seminarleiter aus Eisleben,»eine vollkommen deutsche Aussprache, unter Fortlassung des e,[…]. Also etwa Fónntan.« 80 Wir dürfen annehmen, dass der Pfarrer, der am 24. September 1898 am Grab des Dichters auf dem Französischen Friedhof in der Liesenstraße die Trauerrede hielt, den Namen des Verstorbenen so, genau so ausgesprochen hat. Der Geistliche hieß Eugène Devaranne und war hugenottischer Herkunft. Der Kreis, er schließt sich. Da muss, meine Damen und Herren, der korrekte Titel dieser Abschiedsvorlesung wohl heißen:»Fontane und … Fónntan«. Es bleiben sieben Buchstaben, es bleibt die Kunstfigur, zu der der Schriftsteller wurde. An ihr lag ihm, für sie hat er Aufwand getrieben. Mit ihr hat überlebt, was überlebensstark war. Auch da Wiedergeburten. Der beste Wiedergeburtshelfer war der Humor, konkurrenzlos. Er hatte Teil am dichterischen Befreiungsakt, war seine stärkste Waffe und ohne Verfallsdatum. Ein anderes Kapitel. Wir suchen Fontanes Nähe und sind doch angehalten, Abstand zu wahren, einen Abstand, den er gebietet und der Gebot ist. Lassen wir, wie es sich gehört, Theodor Fontane das letzte Wort, für jetzt und hier: Wir ›rechnen‹ immer noch mit der Menschheit; Beifall, Zustimmung, Ehren, bedeuten uns immer noch‘was, als wäre damit was gethan; das ist aber falsch und unklug, wir müssen vielmehr unsre Seele mit dem Glauben an die Nichtigkeit dieser Dinge ganz erfüllen und unser Glück einzig und allein in der Arbeit, in dem uns Bethätigen unser selbst finden.[…] In herzlicher Ergebenheit[…] Ihr Th. Fontane 81
Heft
(2019) 108
Seite
80
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