Gelegenheit macht Lieder Fischer 87 konnte, nahm der Verein die für den 13. Mai 1861 angekündigte Enthüllungsfeier des Beuth-Denkmals zum Anlass, sein Fest mit diesem zusammenzulegen. 8 Das verbindende Moment lag bereits in dem Umstand, dass desselben Beuth gedacht werden sollte, der vierzig Jahre früher, 1821, den Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes ins Leben gerufen hatte. Eine zweite Besonderheit kann man in der Zweiteilung sehen: dass nämlich am Vormittag die offizielle Enthüllungsfeier in»distanzierter Präsenz« 9 des Königs und der Königin sowie des Kronprinzen und der Kronprinzessin und am Nachmittag das Festmahl im Krollschen Lokal(später Krolloper) in der Nähe des Brandenburgers Tores stattfand. Angesichts der Größe des Saales, den über 500 Gäste zum Festmahl füllten, verzichtete man auf Reden, beschränkte sich auf einen einzigen Trinkspruch auf den König und gab stattdessen Gesängen und einer dramatischen Aufführung Raum. Daraus ergab sich eine dritte Besonderheit, und diese darf unter Fontanekennern und Experten für literarische und Künstlervereine einiges Interesse beanspruchen: Das dichterische Programm des Festmahls wurde ausschließlich von drei Mitgliedern des Tunnels über der Spree bestritten, die zufällig auch demselben Jahrgang angehörten: Rudolf Löwenstein(1819– 1891), George Hesekiel(1819–1874) und Theodor Fontane(1819–1898). Es ist möglich, dass diese Beteiligung von Tunnelianern auf den Tunnelgenossen Drake zurückging. Der Schüler Rauchs, seit 1844 Professor an der Berliner Akademie der Künste, hat sich vor allem durch die Denkmäler Friedrich Wilhelms III. im Berliner Tiergarten und Wilhelms I. auf der Rheinbrücke in Köln sowie durch die Viktoria auf der Berliner Siegessäule einen Namen gemacht. Drake könnte während seiner Mitwirkung an der Gestaltung des Beuth-Denkmals die drei Tunnelianer dem Festkomitee unter Vorsitz des Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats und Ministerialdirektors Rudolph(ab 1896 von) Delbrück(1817–1903) empfohlen haben. Delbrück hatte unter Beuth gearbeitet und wird als der Spiritus rector der preußischen Freihandelspolitik angesehen. Er wurde enger Mitarbeiter Bismarcks, wandte sich aber gegen ihn, als dieser in den späten 1870er Jahren zur Schutzzollpolitik überging. Überraschend ist nicht die gleichzeitige Beteiligung von Hesekiel und Fontane, denn beide gehörten zur Redaktion der konservativen Neuen Preußischen(Kreuz-)Zeitung, der eine für den französischen, der andere für den englischen Artikel. Überraschend ist eher, wenigstens auf den ersten Blick, dass sie zusammen mit Löwenstein, seit 1848 Mitarbeiter des Kladderadatsch, für dieses Fest engagiert wurden. Dabei dürften die Unterschiede in den politischen Anschauungen und der schriftstellerischen Richtung zwischen Hesekiel und Löwenstein besonders ausgeprägt gewesen sein. Andererseits fanden sich Hesekiel und Löwenstein im selben Jahr 1861 unter einem anderen Dach wieder. Das von Julius Rodenberg(1831–1914) gegründete und zusammen mit Ludwig Habicht(1830–1908) herausgegebene
Heft
(2019) 108
Seite
87
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