Heft 
(2019) 108
Seite
88
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88 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Deutsche Magazin. Illustrirte Monatsschrift(1861–1863) enthielt im ersten Band neben Erzählungen und einem Gedicht Hesekiels auch Gedichte ­Löwensteins. 10 Im Folgejahr 1862 traten beide, wie übrigens ebenso Fonta­ne, dem Verein Berliner Presse bei. Augenscheinlich strebte man über Par­teigrenzen hinweg ›Zeitungssolidarität‹ und einen gewissen Zusammen­halt unter den Mitgliedern der schreibenden Zunft an. 11 Bei den Verantwortlichen dürften weitergehende Überlegungen im Spiel gewesen sein. Vertrat Hesekiel einen radikal konservativen Standpunkt, der ihn bis in seine Romane und Gedichte für die Monarchie und das Ancien Régime schwärmen ließ, so musste er besonders geeignet erscheinen, um dem neuen König, Wilhelm I., ›ein Lied zu singen‹. Dies war denn auch sein Part im Festprogramm. Löwenstein, der 1849 wegen seiner publizistischen Aktivitäten aus Preußen ausgewiesen worden, aber schon 1850 wieder zu­rückgekehrt war, um für 37 weitere Jahre dem Kladderadatsch seine Feder zu leihen, erfreute sich hingegen nicht nur als humoristischer Schriftsteller, sondern auch wegen seiner Kindergedichte und seiner Lyrik großen Zu­spruchs in bürgerlich-liberalen Kreisen. Der Schriftsteller jüdischer Her­kunft, der mit neun Jahren getauft worden war, war so gesehen die richtige Wahl für die Würdigung des Reformers Beuth und, damit verbunden, des Bürgerfleißes und Gewerbefortschritts vorausgesetzt, er schlug einen ernsten Ton an. Den beherrschte Löwenstein durchaus, 12 auch wenn der sa­tirische und heiter-humoristische Ton für ihn charakteristisch blieb. Und Fontane? Ihm scheint die Aufgabe zugefallen zu sein, die Synthese zwischen dem»alten« und»neuen«, dem»treuen« und»freien«, ins Politische über­setzt, dem konservativ-monarchischen und liberal-zivilen Preußen in geeig­neter Weise in Verse zu bringen. Bei dem um 16 Uhr beginnenden Festmahl waren Handelsminister Au­gust von der Heydt(1801–1874), Finanzminister Robert von Patow(1804– 1890), der aktuelle Justizminister August von Bernuth(1808–1889) und sein Vorgänger im Amt Ludwig Simons(1803–1870) zugegen; ihm wohnten fer­ner der Generalleutnant und Oberstallmeister Friedrich Adolf von Willisen (1798–1864), ein Freund Beuths, der Vorsitzende des Central-Comités zur Errichtung eines Monuments für den Wirklichen Geheimen Rath Beuth und Oberpräsident der Rheinprovinz, Adolf von Pommer-Esche(1804–1871), dessen Bruder, der Generalsteuerdirektor Johann Friedrich von Pommer­Esche(1803–1870), der Generalpostdirektor Heinrich Schmückert(1790– 1862) und weitere Amtsträger und Honoratioren bei. Der Festsaal war mit Trophäen, Bäumen und Emblemen der Industrie nach Wachsmodellierun­gen des Tapeziers Hiltl geschmückt. Gelegenheitsdichtung? Ja, aber was für eine Gelegenheit! Vor einem solchen Publikum vorgetragen zu werden, verschaffte dem Dichter ein Maß an Aufmerksamkeit, das durch Gedicht­bände oder Anthologien kaum zu erreichen war.