Heft 
(2019) 108
Seite
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Gelegenheit macht Lieder  Fischer 93 Säulen getragenen Tempel aufgestellt, die doppeltlebensgroße B ü s t e B e u t h s. Um die Ehre, dieser Büste eine Stätte darzubieten, streiten in dem Festspiel mit einander ein Priester des Apollo und ein Priester der Mi­nerva, bis ein Gewerksmann endlich, jeden Streit schlichtend, erklärt, daß s e i n e Stätte: In j e d e s Bürgers trautem Kämmerlein. O blickt, ihr Priester, mit mir auf die S t a d t! Wo einst die Sonne auf den Sand der Mark Auf eine W ü s t e sengend strahlte nieder, Da wirbelt heut der Dampf der E h r e n s ä u l e Für Bürgerfleiß und Tugend hoch empor, Da blüht heut L e b e n, da erblühen M e n s c h e n. Wo einst die Noth in niedrer Hütte klagte, Da schuf die Industrie ein f r ö h l i c h Völkchen, Da wuchsen M a u e r n auf zu Riesenwerken, Und lustig singen Hammer dort und Ambos Ein Lied zum Ruhme auch des Vaters B e u t h! und darauf die Stufen des Tempels emporsteigt, um die Büste B e u t h s mit von dem Priester Apolls ihm dargebotenen goldenen Lorbeerzweigen zu umkränzen. Lauter, sich steigernder Beifall und Hervorruf begleiteten die Darstellung von Scene zu Scene.« 18 Es ist ein Lobgesang auf»Bürger«, »Stadt« und»Industrie«, die, gepaart mit»Bürgerfleiß und Tugend«, aus der »Wüste« blühendes Leben wachsen ließen und dort, wo vordem»Noth« ge­herrscht hatte, ein»fröhlich Völkchen« schufen. Es ist wohl kein Zufall, dass Delbrück als Vorsitzender des Festkomitees in seinen Lebenserinnerungen nur Löwenstein namentlich erwähnte:»Die großen Dimensionen dieses Saales[im Krollschen Lokal] gaben den er­wünschten Anlaß, die Festreden, mit Ausnahme des Trinkspruchs auf den König, auszuschließen und durch Gesänge und ein der Verherrlichung Beuths gewidmetes Festspiel zu ersetzen; Rudolf Löwenstein übernahm die Dichtung. Das Fest verlief auf´s beste.« 19 Die liberale National-Zeitung hob in ihrem Festbericht ebenfalls nur Löwenstein hervor:»Dem Toaste auf den König folgten mehrere ansprechende Festgesänge, u. A. ein von R. Löwen­stein gedichtetes, von Mitgliedern des Domchors vorgetragenes Beuth­Lied. Ein Festspiel, gesprochen von den Herren Karlowa, Berndal und Bau­meister, fand lebhaften Beifall.« 20 Gleichwohl bleibt die Frage interessant, wie Fontane mit den dichteri­schen Vorgaben verfuhr; welche Motive er ihnen entlehnte, wie er sie ver­wandelte oder seinem Gedicht anverwandelte; vor allem, in welche Zu­sammenhänge er sie stellte, damit sich aus der Anlage des Gedichts ein eigener Ton und Aufbau ergab.»Dem Festspiel folgte der Vortrag eines von