Heft 
(2019) 108
Seite
98
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98 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Wrangel kam als populäre militärische Gestalt hinzu, der zugleich die Ar­mee als zentrales Element der Militärmonarchie repräsentierte. Sie hatte an diesem Tag zunächst einen prioritären Auftritt auf dem Felde:»Se. Maj. der K ö n i g besichtigte heute Morgens 8 Uhr auf dem Tempelhofer Felde die 2.  Garde-Infanterie-Brigade. Der Besichtigung wohnten die königlichen Prinzen und die Generalität bei. Um 10 Uhr kehrte der König zur Stadt zu­rück und wohnte mit den übrigen hohen Herrschaften der Enthüllung des Beuth-Denkmals bei.« 25 Die monarchische Seite agierte symbolpolitisch und versicherte sich, nachdem sie durch die Truppeninspektion auf ihr we­sentliches Fundament verwiesen hatte, der»alten Treue« ihrer Bürger durch öffentlichkeitswirksame Rituale: »Anders als anläßlich der Einweihung des Thaer-Denkmals beehrte diesmal auch der nach dem Tod seines Bruders seit Beginn des Jahres regierende König Wilhelm I. die knapp einstündige Feier zumindest mit distanzierter Präsenz, indem er von den geöffneten Fenstern der ›Com­mandantur‹ im Zeughaus aus der Zeremonie folgte. Zugleich erzwang der König damit die Ausrichtung des abschließenden Rituals des Ab­zugs der Schüler des Gewerbeinstituts und der Bauakademie zum einen, der Handwerker und Innungen zum anderen auf das Areal monarchi­scher und militärischer Repräsentation hin: Die Festzüge passierten nicht nur salutierend das Denkmal selbst, sie zogen auch mit der Ehr­furchtsgeste gesenkter Fahnen und entblößter Häupter am Monarchen und am Zeughaus vorbei.« 26 Einige abschließende Bemerkungen mögen angebracht sein. Die Untersu­chung hat gezeigt, dass Gelegenheitsdichtung auch der Untersuchung der »Gelegenheit« bedarf. 27 Sie betraf im vorliegenden Fall den Rahmen, das Festprogramm und die Einbettung des Festes in den öffentlichen(Platz vor der Bauakademie) und halböffentlichen Raum(Krollsches Lokal). Dazwi­schen spannte sich ein politisch-symbolisches Bezugsfeld auf, in das das Lied Fontanes ursprünglich eingebettet war und von dem es seine Bedeu­tung im Moment der Aufführung am Nachmittag des Festtags empfing. Es war eine Aufführung bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Dar­steller(des Chores), und der Zuschauer(Zuhörer), in der die Aufführung in gegenseitiger Beeinflussung entstand. Mit der Aufnahme in die Gedicht­sammlung war dieser Zusammenhang aufgelöst, nur die Unterzeile»(Preu­ßenlied zum 13. Mai 1861)« erinnerte noch daran. Des Weiteren kann festgehalten werden, dass die Veröffentlichung des Liedes in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbeflei­ßes in Preußen die erste bisher nachgewiesene Veröffentlichung darstellt. Sie müsste daher mit ihren Varianten in künftigen Gedichtausgaben Be­rücksichtigung finden. Möglich, dass es auch ein gedrucktes Festprogramm gab, in dem das Lied bereits am 13. Mai 1861 vorlag. Das wäre dann der früheste Druck; aber wohl nur ein glücklicher Zufall könnte ein Exemplar