112 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Fontane 1898(aus dem zweiten Band der Zweiten Sammlung von Fontanes Briefen, Berlin 1910) auf das Intensivste studiert und sich von dessen Weitblick und Umsicht ein genaues Bild machen können. Wenn jemand, dann wusste er, dass der Gewinn dieser Kriege maßgeblich dem militärischen Genie Moltkes zu verdanken war. Aber er lernte ihn auch als Menschen und Autor schätzen, als den er ihn durch die postum veröffentlichten Familienbriefe später wahrnahm. 18 Das erwies sich besonders, als Moltke dem Staatsrechtslehrer Johann Caspar Bluntschli gegenüber den Krieg als ein»Glied in Gottes Weltordnung« rechtfertigte.»Ohne den Krieg«, so sein Diktum in einem Anfang 1881 veröffentlichten Schreiben,»würde die Welt im Materialismus versumpfen«, der Krieg fördere»die edelsten Tugenden des Menschen«. 19 Die Empörung zog weite Kreise, auch die»Tunnel«-Freunde schlossen sich ihr an.»Alle gegen Moltke; ich natürlich für ihn«, vermerkt Fontane im Februar 1881 im Tagebuch nach einem»Rütli«-Treffen bei Adolph Menzel. 20 Etwas Oppositionsgeist mag dabei mitgespielt haben, aber vielleicht hatte er auch nur genauer gelesen. Entgegen der Erklärung, der Krieg sei zur Ertüchtigung eines Volkes nötig, sprach sich Moltke nämlich dafür aus, ihn im Fall der Fälle so kurz wie möglich zu halten. Verwundete sollten umfassend versorgt, Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung verhindert und überhaupt jedem unnötigen Schaden vorgebeugt werden. Nur glaubte er nicht daran, dass sich die Völker in ihrem Bestreben, bestehende und vielleicht auch falsche Zustände zu verändern, kriegerischer Mittel jemals enthalten würden. Allerdings bejahte er solche Mittel ausdrücklich.
Heft
(2019) 108
Seite
112
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