120 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Nicht leicht identifizierbar ist das Medaillon über der Tür. Friedrich Fontane sagt dazu nichts, er bemerkt nur, dass Gipsmedaillons wie das zum Esszimmer hin»auch über andern Türen der Wohnung« hingen. 29 Ein wichtiges Merkmal ist zunächst der Vollbart des Mannes zusammen mit den langen Haaren. Das lässt weniger einen»Klassiker« in Frage kommen als einen Mann des 19. Jahrhunderts. Aufgekommen war die Vollbärtigkeit im Vormärz, eine Art demokratischer Opposition gegen die adelige Glattgesichtigkeit der Zeit davor, und wie oft in solchen Fällen wurde das Barttragen dann mehr und mehr die allgemeine Mode. Man könnte an Karl Marx oder Ludwig Feuerbach denken, an Charles Darwin oder Charles Dickens, doch niemand von ihnen, außer vielleicht Dickens, könnte Fontane so viel bedeutet haben, dass er sich ein Medaillon von ihm ins Zimmer gehängt hätte. Tatsächlich war es auch kein berühmter, sondern nur ein für Fontane und seine Freunde markanter Zeitgenosse, nämlich der 1872 verstorbene »Tunnel«-Bruder Friedrich Eggers. Eine Brücke zu ihm ergibt sich schon Die Wohnung von Friedrich Eggers in der Hirschelstraße. Auch Fontane hat viele Abende in diesen Räumen verbracht, er wohnte von 1863 bis 1872 in der Hirschelstraße nur fünf Häuser weiter.
Heft
(2019) 108
Seite
120
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