Heft 
(2019) 108
Seite
128
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128 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte »Nur ein Neufundländer«. Zu Fontanes Strategie realistischen Erzählens demonstriert an einem abseitigen Beispiel Rolf Selbmann Dass der Chinese in Fontanes Effi Briest»ein Drehpunkt für die ganze Ge­schichte« sei, ist längst zur communis opinio, ja geradezu zu einem Gemein­platz der Fontane-Forschung geworden. 1 In der Folge haben sich die For­schungsbeiträge um, mit und über diesen Chinesen fast bis ins Uferlose ausgewachsen. 2 Dabei hatte der Redakteur Joseph Viktor Widmann in sei­ner Rezension des soeben erschienenen Romans im Sonntagsblatt des Ber­ner Bunds am 17. November 1895 die Bedeutung des Chinesen nur ganz am Rande gestreift übrigens den Hund Rollo zu den»prächtigen Nebenfigu­ren« des Romans gerechnet, ohne dies näher zu begründen. 3 Fontane re­agierte auf diese Besprechung sofort. Schon zwei Tage später schrieb er an Widmann einen Brief, in dem er sich nicht nur für das»Lob« bedankte, son­dern die Figur des Chinesen so herausstellte: sie sei»ein Drehpunkt für die ganze Geschichte«. 4 Offensichtlich legte Fontane größten Wert darauf, dass dieser Chinese als eine der»Finessen« erkannt würde, die er zu den Eigen­tümlichkeiten seines Erzählens rechnete. 5 Für die Interpreten stellt sich da­rüber hinaus die Frage, ob es neben diesem einen»Drehpunkt« nicht viel­leicht auch noch andere solcher Drehpunkte geben könnte. An dieser Stelle klinkt sich die vorliegende Untersuchung ein; sie schluss­folgert in Fortsetzung solcher Überlegungen, dass Fontane offenbar nicht nur auf einer Ebene erzählt, sondern dass man unter dem einsinnigen Er­zählverlauf eine Verweisungsstruktur von Subtexten annehmen muss, die von Fontane gezielt ausgelegt worden ist. Lässt sich aus dem Nachspüren solcher Strukturen eine Erzählstrategie herauspräparieren, an der sich das Prinzip realistischen Erzählens anschaulich macht? An einem eher rand­ständigen Beispiel soll diese Frage ausgefaltet, plausibilisiert und beantwor­tet werden, nämlich am Auftreten des Neufundländer-Hundes Rollo, an sei­ner Erzählfunktion und an seiner Bedeutung für das Sinngefüge von Effi Briest. Der Blick auf den markanten Hund Rollo ist so neu natürlich nicht. 6 Seit 1991 gibt es sogar ein ganzes Buch zu den Neufundländer-Hunden in Fontanes Romanen. 7 Unsere Untersuchung beschränkt sich nicht darauf,