Heft 
(2019) 108
Seite
129
Einzelbild herunterladen

»Nur ein Neufundländer« Selbmann 129 den Hund Rollo als eine»Symbolfigur« zu erkennen, wie dies bisher gesche­hen ist, 8 oder ihm den»Status einer durchgehenden Hauptfigur« zuzuschrei­ben. 9 Sie möchte vielmehr, von diesem scheinbaren Detail ausgehend, die Erzählstrategie Fontanes für den gesamten Roman durchsichtig machen. 1.» Rollo ist ein Kenner«: Eröffnung Im 6. Kapitel des Romans rollt der Wagen mit dem von der Hochzeitsreise kommenden Innstetten-Paares auf Kessin zu. Instetten führt Effi während dieser Anreise in die Besonderheiten des zukünftigen gemeinsamen Wohn­orts ein der Eindruck auf Effi ist zweispältig. Einerseits erwartet sie ein langweiliges Spießbürgertum: Innstetten nennt die Ortbewohner seine»gu­ten Kessiner«; andererseits wird sie auf» Exotisches« wie eben den Chine­sen treffen. 10 Am Ende und gleichzeitig als Höhepunkt dieses Vorstellungs­panoramas wird auch der Haushund vorgestellt. Innstetten führt den Hund in mehrfacher Brechung ein, zunächst mit seinem Namen»Rollo«, der von einem»Normannenherzog« entlehnt ist. Diese historische Erinnerung schließt er an den bescheidenen Bildungshorizont Effis an(»bei Niemeyer oder Jahnke von dergleichen gehört«), um dann die aufgehäuften Erwartun­gen über die Nennung der Hunderasse erst zurückzunehmen(»bloß ein Neu­fundländer«) und sie dann wieder über die Ästhetik(»ein wunderschönes Tier«) bis zu geradezu menschlichen Eigenschaften des Hundes zu steigern: »das mich liebt und dich auch lieben wird«(51). Diese emotionale Komponen­te unterfüttert Innstetten mit weiteren Bedeutsamkeitsaufladungen, die Rol­lo über andere Hunde hinausheben. Denn»Rollo ist ein Kenner« und garan­tiert Schutz, der offenbar nötig ist, als ob eine nebulöse Bedrohung lauere: »so lange bist du sicher und nichts kann an dich heran, kein Lebendiger und kein Toter«. Dann lenkt Innstetten unvermutet ab(»Aber sieh mal den Mond dort drüben«); dabei hatte er doch kurz zuvor den noch rätselhaften Chine­sen als Toten eingeführt(49:»jetzt ist er tot«) und überhaupt seine Erläute­rungen mehrfach durch ein scheinbar nur redensartliches»Gott sei Dank« (49, 50, 51) gespickt. Diese Redestrategie, erst von Erstaunlichem zu berich­ten, es dann mit einem»Gott sei Dank« in die eigene Lebenswirklichkeit ein­zugemeinden, bleibt nicht ohne Wirkung. Effi reagiert»wie benommen« und registriert allerhand»Unheimliches«(53). Bei ihrem Abschied von Kessin wird sie dann zitternd und betend selbst ein solches»Gott sei Dank!« her­vorpressen(204). Bei der Ankunft am Landratshaus und der Vorstellung des Personals scheint Rollos leibhaftiger Auftritt Innstettens vorsorgliche Erklärungen zu bestätigen. Während Innstetten den Hund fast auf menschlicher Augenhöhe begrüßt(»Rollo, wie gehts«), reagiert der Hund in so völliger Übereinstim­mung mit dem Erzähler, dass kein Zweifel aufkommen kann Rollo versteht