Heft 
(2019) 108
Seite
131
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»Nur ein Neufundländer« Selbmann 131 ist die einzige direkte Rede und dadurch die einzige Faktizität dieser Szene (82); alles andere entstammt der Wahrnehmung Effis an der Grenze zwi­schen Schlaf und Wachsein:»fuhr sie mit einem lauten Schrei aus ihrem Schlafe auf«»sie hörte selber noch«»Ihr war, als ob«»huschte was an ihr vorbei«(82). Der Erzähler übernimmt hier ganz Effis Perspektive, die er erst dann wieder zugunsten einer distanzierteren Berichterstattung ver­lässt, wenn es um Rollo geht. Dessen»wau, wau« war zunächst von Effi im Sinn ihrer eigenen Gestimmtheit wahrgenommen worden:»dumpf und sel­ber beinah ängstlich«. Erst mit dem Auftauchen des Hundes und damit mit der Rückgewinnung eines erzählerischen Abstands rasten vernunftgesteu­erte Urteile ein: statt dem»Moment höchster Angst« und»etwas Schreckli­chem« jetzt»Befreiung«. Dabei bemüht sich nicht etwa Effi um die Nähe des Hundes, sondern umgekehrt dieser»suchte mit seinem Kopf nach ihrer Hand«(82), als wolle Rollo an die Art ihrer ersten Kontaktaufnahme an­knüpfen und signalisieren, dass er für die weitere Handlungssteuerung ver­antwortlich sei. Auf diese Weise fungiert Rollo als Beglaubigungsinstanz in doppelter Richtung. Auf der Handlungsebene bestätigt er die Spukwahr­nehmungen der Romanfigur Effi; für Erzähler wie Leser dient er als Korrek­tiv, indem er beide aus einer zu engen Identifikation auf den Boden der er­zählerischen Tatsachen zurückführt. 3.» Gott, das bedeutet mir was«: Erweiterung Die beschäftigungslos und lebensmüde gewordene Roswitha wird von Effi Briest als zukünftiges Kinderfräulein angestellt. Dies geschieht aber erst, nachdem Roswitha ihren Lebensbericht vorgetragen und der Hund Rollo als entscheidende Instanz seine Zustimmung gegeben hat:»Rollo, der Effi be­gleitet hatte, hatte sich mittlerweile vor die Person hingesetzt, die Zunge weit heraus, und sah sie an. Als sie jetzt schwieg, erhob er sich, ging einen Schritt vor und legte seinen Kopf auf ihre Kniee.«(124) Rollo scheint in seinem Ver­halten nicht nur die Mitleidsreaktion Effis zu verstärken, sondern sich durch sein Zeichen mit der»Zunge« auch in den Kontext von Reden und Schweigen verständig einzuordnen. Entscheidend ist jedoch, wie Roswitha auf diese Be­kundung des Hundes reagiert:»Mit einem Male war die Person wie verwan­delt.« Ihre Reaktion liest sich bis in die wörtliche Anspielung hinein als Auf­griff und Erweiterung der Vorstellung des Hundes durch Innstetten: ›Gott, das bedeutet mir was. Da ist jane Kreatur, die mich leiden kann, die mich freundlich ansieht und ihren Kopf auf meine Kniee legt. Gott, das ist lange her, dass ich so was gehabt habe. Nu, mein Alterchen, wie heißt du denn? Du bist ja ein Prachtkerl.(124) Damals hatte Innstetten den Namen des Hundes redensartlich mit»Gott« verbunden(51:»haben wir ja Gott sei Dank auch Rollo«), Roswitha bezieht