136 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte »Papas Jagdhund hat gar kein Attachment für mich. Jagdhunde sind so dumm«) und der Bestätigung durch Roswitha:»so was wie Rollo haben sie hier gar nicht«(320). Roswithas Brief an Innstetten»wegen Rollo«(322) entwirft Fontane als Musterstück der Rollenrede: bildungsferne Hilflosigkeit beim Briefschreiben paart sich mit entwaffnender Gutherzigkeit. So entsteht eine doppelte Spiegelung durch Roswitha und Rollo, in der Effis Fehltritt zur Nichtigkeit schrumpft:»der ist mir nicht gram«(322). Denn Rollo, dem menschliches Verhalten und Verständnis unterstellt werden, reagiert auf die Schuldfrage durch die Brille Roswithas:»Das ist der Vorteil, dass sich die Tiere nicht so drum kümmern.«(323) Das von Roswitha in den Roman eingeführte und auf Rollo übertragene kreatürliche Verhalten haftet nun an Roswitha selbst; jetzt wird sie von den verständigen Figuren als eine Person charakterisiert, die ebenfalls kreatürlich, also unverstellt und natürlich lebt:»Die ist uns über.«(323) 8. Rollo» schüttelte den Kopf«: der doppelte Schluss des Romans In der Schlussszene des Romans erhält Rollo endlich die zentrale Position, die ihn als Romanhund berühmt gemacht hat. Die Marmorplatte mit Effis Namen, die im Park von Hohen-Cremmen an die Stelle der Sonnenuhr getreten ist, wird zum Mittelpunkt, um den die Gespräche der alten Briests kreisen:»Rollo lag daneben, den Kopf in die Pfoten gesteckt.«(332) Diese dem Hund unterstellte Trauerhaltung veranlasst Frau von Briest zu einer Beobachtung, in der sich Selbstkritik und Bewunderung vermischen:»Es ist ihm doch noch tiefer gegangen als uns. Er frisst auch nicht mehr.«(332) Die Antwort des alten Briest greift mit dem Begriff der»Kreatur« seine damaligen Einlassungen(134) auf, erweitert sie aber durch den»Instinkt«, noch stärker tierkundlich und völlig religionslos gefüllt als»Kreatur«, der»das Beste« sei. Seine Frau verweist ihm daher auch die Rede(»Sprich nicht so«), um an seiner Befähigung zu tieferem Nachdenken herumzumäkeln(»Wenn du so philosophierst«). Sie lenkt dabei von der Hundethematik ab und wirft eine doppelte Schuldfrage für die Eltern auf(333:»Ob wir sie nicht anders in Zucht hätten nehmen müssen« –»ob sie nicht doch vielleicht zu jung war«). Deshalb liest man Fontanes Effi Briest verkürzt, wenn man das Romanende nur auf die bekannte Sentenz des alten Briest reduziert, mit der dieser (und Fontane mit ihm?) sich einer Stellungnahme enthalte. 11 Denn der letzte Satz des Romans beginnt mit einer Beschreibung des Verhaltens von Rollo: »Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her«(333). Indem Fontane den Hund auf die entscheidende Frage von Effis Mutter –»ob sie nicht doch vielleicht zu jung war?« – reagieren lässt, rückt er den Schluss in ein merkwürdiges Zwielicht. Die Sinnhaltigkeit dieses hündischen Kopfschüttelns ist ausführlich diskutiert worden. Sieht es
Heft
(2019) 108
Seite
136
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