Heft 
(2019) 108
Seite
138
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138 Fontane Blätter 108 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte kommen lässt, sich selber aber einer(auktorialen) Antwort enthält. So stellt der Hund Rollo letztlich eine poetologische Kippfigur dar, die den gesamten Roman deutet. 9.» Nur ein Neufundländer«: Folgerungen In Effi Briest erhebt Fontane den Hund Rollo zu einer menschenähnlichen Gestalt, ja sogar zu einer Figur, die mit erheblichen Bedeutsamkeitssignalen ausgestattet ist, so dass man sogar von einer Art Leitmotiv sprechen kann. Diese Strategie trifft sich mit einem spezifischen Erzählverhalten Fontanes. Der auktoriale Erzähler, wie er sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durchgesetzt hatte, ist am Ende des 19. Jahrhunderts natürlich längst aufge­geben. Fontanes Erzählerstimme zieht sich scheinbar ganz zurück, aber eben nicht ganz. Wie genau dieser Prozess angelegt war, lässt sich an Fonta­ne unterschwelliger Auseinandersetzung mit Friedrich Spielhagen(1829– 1911) ablesen. Spielhagen hatte nicht nur mit seinen Beiträgen zur Theorie und Technik des Romans schon 1883 eine Theorie des modernen Gesell­schaftsromans vorgelegt. 1897 erschien auch Spielhagens Roman Zum Zeit­vertreib, in dem dieser ebenfalls die Ardenne-Affäre literarisch verarbeite­te. Spielhagen hatte sogar noch den Vorteil, mit Else von Ardenne persönlich gut bekannt gewesen zu sein und mit ihr einen Briefwechsel geführt zu ha­ben. Im Sinne eines naiv aufzufassenden Realismuskonzepts war Spielhagen also viel näher am Puls der stoffliefernden Realitäten als Fontane und damit ›realistischer‹. Das empfand auch Spielhagen selbst so, wenn er Fontane mit­teilte, er habe einen Roman mit dem Titel Zum Zeitvertreib geschrieben, »dessen Thema mit dem des Ihren sehr viel Verwandtes hat«. Man habe of­fensichtlich»aus derselben Quelle geschöpft. Will sagen: unser beiderseiti­ges Motiv ist dieselbe Ehetragödie«. 15 Spielhagen hatte zudem 1896 in einem Vergleich zwischen Goethes Wahlverwandtschaften und Fontanes Effi Briest letztere als die modernere Form des Erzählens sogar über Goethes gestellt. 16 Grundsätzlich und abstrakt theoretisch unterstützte Fontane Spielhagens romantheoretische Forderung, dass der moderne Erzähler sich bis zur Un­sichtbarkeit zurückzunehmen habe(»mit Ihnen in Uebereinstimmung«). 17 Damit lag er ganz auf seiner bekannten Linie programmatischer Äußerun­gen zum Realismus wie etwa in seiner Abhandlung Unsere lyrische und epi­sche Poesie seit 1848, 18 in der er 1853(übrigens ohne sich mit Namen zu nen­nen) Positionen zuspitzte, die er in seiner poetischen Praxis selber nicht einhielt. So rechtfertigte er auch gegenüber Spielhagen(»Allerdings«) die erzählerische Autonomie seines eigenen Erzählers in Effi Briest:»Das Hin­einreden des Schriftstellers ist fast immer von Uebel, mindestens überflüs­sig. Und was überflüssig ist, ist falsch. Allerdings wird es mitunter schwer festzustellen sein, wo das Hineinreden beginnt; der Schriftsteller muß doch