»Nur ein Neufundländer« Selbmann 139 auch, als er, eine Menge thun und sagen, sonst geht es eben nicht, oder wird Künstelei.« 19 Neben diesem Einwand teilte Fontane Spielhagen nach dessen Hinweis auf die gemeinsame»Quelle« überaus bereitwillig mit, wie der Stoff der Ardenne-Affäre durch eine Berliner Salonerzählung an ihn gekommen sei. Nicht ohne Ironie verriet er dem»Kollegen« und»Romancierkonfrater« auch den springenden Punkt, der für ihn als Autor diese»Ehebruchsgeschichte wie hundert andre mehr« zu einem Romanstoff gemacht habe: Die ganze Geschichte ist eine Ehebruchsgeschichte wie hundert andre mehr und hätte, als mir Frau L. davon erzählte, weiter keinen großen Eindruck auf mich gemacht, wenn nicht(vgl. das kurze 2. Kapitel) die Szene bez. die Worte: ›Effi komm‹ darin vorgekommen wären. Das Auftauchen der Mädchen an den mit Wein überwachsenen Fenstern, die Rotköpfe, der Zuruf und dann das Niederducken und Verschwinden machten solchen Eindruck auf mich, daß aus dieser Szene die ganze lange Geschichte entstanden ist. 20 Fontane verschiebt also den eigentlichen Impuls zum Schreiben seines Romans von der(eher banalen, gemeinsam mit Spielhagen verfügbaren) Vorlage weg und hin zu einem»Eindruck«, der nur ihm als souveränem Autor und nicht dem»Romancierkonfrater« – man beachte die einerseits eingemeindende und andererseits auch wieder ausschließende Formulierung – zugefallen ist. In einer solchen pragmatischen Positionsnahme kommt eine Erzählhaltung zum Ausdruck, die man nicht als bloße Bescheidenheit oder als sich zurückziehende Erzählerstimme missverstehen darf. Fontane schafft vielmehr einen Erzähler mit ganz eigenständiger Autonomie, der uns eine erzählte Welt vor Augen stellt, in der alles ganz natürlich, eben ›wirklich‹ geschehen ist oder zumindest als geschehbar erscheint. Bei näherem Hinsehen erkannt man jedoch, dass hier ein Erzähler mit jedem Wort signalisiert: Ich kann beim Erzählen auch Unsichtbares, Unmögliches oder kaum Vorstellbares so auftreten lassen, als sei es ›wirklich‹. Gleichzeitig zeigt dieser Erzähler im selben Vorgang immer auch an, dass es sich hierbei um ein Kunstmittel seines Erzählens, eben eine seiner»Finessen« handelt. 21 Rollo ist dafür ein gutes Beispiel – es fehlte nicht viel und der Hunde begönne sogar zu sprechen.
Heft
(2019) 108
Seite
139
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