Fontane-Biographien Holzner 157 Zimmermann arrangiert in seiner Abhandlung frei nach Goethe drei Entwicklungsstufen: Lehrjahre, Wanderjahre, Meisterjahre. Er kennt ganz offensichtlich die einschlägige Forschung bestens, aber nicht minder auch die Geschichte der Literatur, auf die Fontane immer wieder rekurriert und die er schließlich tüchtig mitgestaltet hat. So zeichnet Zimmermann unterhaltsam, beinah gesprächsweise, nicht in erster Linie ein Symposion von Fontane-Spezialisten vor Augen(aber doch, möchte man hinzufügen: Thomas Mann, Kurt Tucholsky und Hans-Heinrich Reuter), ein Bild des Romanciers, in das alles Wissenswerte über dessen Leben und dessen Lebensanschauungen einfließt und das überdies höchst-anregend Einblicke vermittelt auch in seine Erzählungen und Romane, auch in seine Kriegsbücher, die Theaterkritiken, die Gedichte(die man durchaus kritischer betrachten könnte), die Wanderungen durch die Mark Brandenburg und die Korrespondenzen. Wenn er schon einmal ins Erzählen kommt, dann lässt er sich kaum mehr bremsen. Die Rede ist hier weiterhin von Zimmermann: Schon nach kurzen Ausführungen über die Vorfahren Fontanes kommt er auf die Kämpfe zu sprechen, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Katholiken und die Hugenotten in Frankreich geliefert haben, weiter auf Michel de Montaigne und auf König Heinrich IV. und(naheliegend) auf Heinrich Mann. Er weiß jedoch genau so gut auch, dass es schon in der Adler-Apotheke in Swinemünde damals, als die Familie Fontane dort Einzug hielt(die Mutter war nicht dabei), auf den diversen Dachböden nachts spukte, und kommt somit(wiederum naheliegend) gleich auf Effi Briest zu sprechen. Es ist bei all dem keineswegs zu übersehen, dass Zimmermann die Landschaften Fontanes nicht nur aus der Literatur, sondern auch aus eigener Anschauung vorzüglich kennt; immer wieder nämlich streut er Beobachtungen ein, die darauf verweisen, was sich im 20. Jahrhundert und bis in die jüngste Zeit herauf in Brandenburg getan hat, und gleichsam im Vorübergehen beleuchtet er ab und an auch Positionen, die Fontane noch ganz anders beurteilt hat als die Nachwelt, vielleicht doch allzu sehr im Moment voreingenommen, beispielsweise die Bedeutung der(zu seiner Zeit) bekanntesten Söhne Neuruppins, Karl Friedrich Schinkel und Wilhelm Gentz. Auch Zimmermann widmet sich ausführlich den Kurswechseln Fontanes zwischen konservativen und liberalen Richtlinien, und er lässt ebenfalls keine Zweifel darüber aufkommen, dass ihn die»zwiespältige Haltung« des Autors zum Judentum aufs höchste inkommodiert: dies ausgerechnet, so ergänzt Zimmermann, bei einem Romancier, der poetische Objektivität und Integrität sonst über alles stellt, lässt er doch in souveräner Manier jeder seiner Figuren»Gerechtigkeit widerfahren, und er benutzt sie nie wie Puppen im Marionettentheater, um eine Ideologie zu illustrieren.« In den Romanen macht Zimmermann denn auch Fontanes Vorbehalte dem Judentum gegenüber nirgendwo ausdrücklich fest(nirgends sei jedenfalls eine
Heft
(2019) 108
Seite
157
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