Heft 
(2017) 104
Seite
17
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Ein»Extrablatt« für den jungen Kritiker-Kollegen  Trilcke; Möller 17 berichtet Schlenther den Sachverhalt, offenbar aus intimer Kenntnis, gesal­zen und gepfeffert mit Anekdoten, wie sie sicher im Kreis der Zwanglosen erzählt wurden, zu dem Schlenther und Brahm gehörten.»Besonders heftig bekämpfte Brahm den Direktor des Wallnertheaters, Theodor Lebrun, der aus finanziellen Gründen sein Personal auf mehrere Schauplätze verteilte und dadurch überall den Wert der Vorstellungen herabminderte.« 20 Zum Eklat kam es im März 1883, als das Wallner-Theater das Stück Mein Leopold von Adolph LArronge, das seit der Uraufführung im Jahr 1873 mit großem Erfolg gespielt wurde, in einer Benefiz-Veranstaltung für den be­reits emeritierten Karl Helmerding im Rahmen einer Helmerding-Retro­spektive wieder aufnahm, allerdings ohne dass alle beim Publikum belieb­ten Schauspieler in den Hauptrollen zu sehen waren, weil einige von ihnen an dem Abend auf einer anderen Bühne besetzt waren. Brahm warf dem Theaterdirektor daraufhin in seiner Kritik in der Vossischen Zeitung vor, er würde sich mehr von kommerziellen Interessen als von ästhetischen Prinzipien leiten lassen. Diese Vorwürfe waren einerseits berechtigt, denn der Erfolg des Wallner-Theaters beruhte zu einem großen Teil auf den hier engagierten Volksschauspielern, die in den populären Berliner Lokal-Pos­sen zu besonderen Publikumslieblingen wurden. 21 Andererseits kann man sich fragen, ob sie in der besonderen Situation dieser Retrospektive ange­messen waren. Den Schuhmacher Gottlieb Weigelt in L´Arronges Mein Le­opold hielt Otto Brahm für eine der Glanzrollen von Karl Helmerding. Die anderen Rollen seien dagegen mit weniger überzeugenden Darstellern be­setzt gewesen, obwohl im Ensemble Lebruns Schauspieler vorhanden wa­ren, die sich in diesen Rollen bereits bewährt hatten. Besonders vermisste Otto Brahm den Schauspieler Georg Engels,»dessen Pianist Mehlmeyer als Glanzrolle allgemein bekannt ist«. Er resümierte, zu einer grundlegen­den Kritik an den Verantwortlichen, namentlich an ­Lebrun, ausholend: »[D]ie Entschuldigung, daß man ihn am anderen Ende der Stadt braucht, ist für uns keine: ein Theater, daß noch irgend künstlerischen Ehrgeiz hat, sollte an einem Abend, wie dem gestrigen, Alles daran setzen, seine besten Kräfte[] vorzuführen. Aber der rechte künstlerische Ehrgeiz es muß endlich einmal ausgesprochen werden scheint den Leitern des Wallner­Theaters mehr und mehr abhanden zu kommen. Wie wäre sonst eine so nachlässige Einstudierung möglich, wie die gestrige, wie wäre es sonst möglich, in der Rolle dieses Pianisten, die durch Engels so vorzüglich ver­treten war, einen Schauspieler, ich weiß nicht wievielten Ranges zu verwen­den, der mit seiner Darstellung ins Walhallatheater zu gehören schien [...].« 22 Damit war das Feld für das bereitet, was Fontane auf seinem»Extra­blatt« den»Brahm-Fall« nennen sollte. Nachdem die von Otto Brahm ver­fasste Kritik am 15. März in der Vossischen Zeitung erschienen war, ver­weigerte der Direktor Lebrun dem Kritiker Brahm am Ostersonntag, also