Heft 
(2017) 104
Seite
29
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»Die Welt ist eine Welt der Gegensätze« Krobb 29 erfolgt in Fontanes Roman durchgängig durch duale oder binäre Attribu­ierungen oder Werturteile, die das Wesen von Gegensätzlichkeit als solches auf den Prüfstand stellen, es mit verwandten Doppelungsphänomenen wie dem Tautologischen und dem Inkompatibilen zusammendenken. Dieses Verfahren lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit des Benennens, auf den epistemischen Status der bedeutungstragenden Identifizierung durch Bezeichnung. Die Methode der gegensätzlichen oder doch, neutraler, paarweisen An­ordnung und dualistischen Verfasstheit der Romanwelt sowie der alterna­tiven, bipolaren Sinnangebote und Bedeutungszuschreibungen durchzieht den gesamten Text in einer ungeheuren Dichte und Komplexität. An einer Schaltstelle der Geschehens wird die Konvention der Zuschreibungs-Dop­pelung allerdings durchbrochen und durch eine Trias ersetzt, nämlich in einer geradezu homiletisch inszenierten Rede des Hofpredigers Dörfel mit der Absicht, Cécile in ihrem Unglück zu trösten:»Aber zwischen Hochmut und Demut steht ein drittes, dem das Leben gehört, und das ist einfach der Mut.«(259) 2 In der bipolaren Textur des Romans hat diese Behauptung ei­ner Mitte allerdings keine Chance zur Entfaltung; damit ist auch die mora­lische und epistemologische Möglichkeit verworfen, einen Ausgleich, Zwi­schenraum oder eine tragfähige Schnittmenge zwischen den Polen zu definieren. Dieser»Mut« des Dritten, Nichtantagonistischen findet erst posthum eine Ausdrucksform. I Theodor Fontanes Cécile verwendet eine Reihe verschiedener Verfahren, Alterität und Ambivalenz in den Zonen zwischen Eigen und Fremd, zwi­schen diametral gegenläufigem Zugriff und verschwommenem Einerlei zu kennzeichnen. Dazu gehört es, Signale wie Namen, deren historische An­füllung, deren Resonanzpotential und deren Bedeutung auf Kongruenz und Reibungen abzuklopfen. Die beiden männlichen Hauptgestalten bei­spielsweise tragen Namen, die auf eine nichtdeutsche Herkunft ihrer Fa­milien schließen lassen: St. Arnaud auf eine hugenottisch-französische und Gordon-Leslie auf eine britische, speziell schottische. Die Familien­geschichten der Namensträger, besonders ihr Weg nach Preußen und in die preußische Armee, werden nicht thematisiert; von dem Obristen St. Arnaud­wird allerdings schon früh eine heldenhafte Rolle im deutsch­französischen Krieg von 1870/71 angedeutet(148); Gordon-Leslie berichtet davon, dass einer der Namenskomponenten erst»durch Adoption in unse­re Familie gekommen« sei(154). Schon die Namensgebung trägt so einen Faktor von Unsicherheit, von Zugehörigkeitsvorbehalt und Dislozierung in den Text, der sich ja ansonsten so prononciert preußisch-berlinerisch