Heft 
(2017) 104
Seite
31
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»Die Welt ist eine Welt der Gegensätze« Krobb 31 sendet also widersprüchliche Signale, die sich auf der Handlungsebene noch einmal verschieben, da sie hier Allianzen vortäuscht, die sich zu dem gegebenen Zeitpunkt der Handlung als zerbrochen erweisen. Dass ­Fontane just diese Einschätzung St. Arnaud in den Mund legt, markiert die Engfüh­rung, ja Ununterscheidbarkeit der kontrapunktischen und der affirmativen Namens-Evokationen. Jedenfalls aber führt die(allerdings zunächst unernste) mehrsinnige Anbindung der Widersacher an literarische Namensvettern das Motiv des Außenseitertums, des Nichtverwurzelten, des unsicheren Status innerhalb von sich formierenden Gemeinschaften in den Text hinein, und damit die Instabilität dieser Gemeinschaften an sich. Dies wird an den beiden ehe­maligen Offizieren wie an der Protagonistin selbst durchgespielt, zum Bei­spiel wenn die Erzählstimme ihr Sympathie für»Konventikliges oder Sek­tiererisches« attestiert(199). Die Namensallusion fungiert nicht nur als ominöse Vorausdeutung auf das katastrophale Ende der Protagonistin und ihres Herausforderers; in ihr kondensiert sich auch die Konstellation zwi­schen Katholizismus und Protestantismus im deutschen Reich, die vom Zeitalter der Glaubensspaltung bis zur Reichseinigung kulturprägend ge­blieben war, in den 1870er Jahren noch einmal als ›Kulturkampf‹ die poli­tische Tagesordnung beherrschte und sich auf gesellschaftlicher Ebene in den Gegensatz zwischen(angeblicher) fürstlicher Libertinage in den schle­sischen Standesherrschaften und bürgerlicher Sittenstrenge als system­stabilisierender preußischer Kollektivmentalität fortsetzt. 5 Antagonismen werden aufgerufen; ihre Übertragbarkeit in die Figurenkonstellation der Fiktion jedoch sabotiert. Bei aller politisch-historischer Konkretheit und Detailfülle 6 keine der Handlungspersonen lässt sich in der Konstellation von Fortschritt und Tradition, Protestantismus und Katholizismus, Reichs­einheit und Pluralismus oder Partikularismus schlüssig einem Lager zu­ordnen, jedenfalls nicht einem Lager, das von ihren Namen und den litera­rischen und historischen Herleitungen derselben sanktioniert wäre. Fontanes Verfahren, immer mehrere Möglichkeiten der Sinnzuschrei­bung für äußerliche Signaturen(wie Namen) anzubieten, identische Sach­verhalte an verschiedenen Stellen hart gegeneinander zu stellen und damit nicht nur Ambivalenz, sondern konkret Kollisionen zu schaffen, transzen­diert die Dimensionen des Analytisch-Detektivischen, also der Interes­senslenkung auf den»Roman« hinter dem Roman wie auf die Protagonis­ten beider Ebenen(Gordon als Protagonist des ›äußeren‹, Cécile als Protagonistin des ›inneren‹ Romans). 7 Die übergeordnete Fragestellung von Norm und Abweichung manifestiert sich im Text durch Verfahren der Doppelbeleuchtung und Doppelbewertung, mit denen auf semantischer, struktureller und metaphorischer Ebene Sinnangebote gemacht und si­multan entzogen werden, Bedeutung suggeriert und umgehend untermi­niert wird.