»Die Welt ist eine Welt der Gegensätze« Krobb 33 Fall wird, wie auch bei der Ableitung von Namensbedeutungen aus Schillers Nationaldrama, Reibung und Spannung produziert zwischen den Positionen und Assoziationen auf der einen Seite, der Rolle und dem Zusammenspiel der Figuren im Handlungsgefüge auf der anderen. Die Umsetzung dieses so den Text bestimmenden Eingeständnisses epistemischer Unsicherheit ist für die Raumstruktur und die Semantisierung von Schauplätzen ausführlich herausgearbeitet worden: »Vergleichendes Gegenüberstellen, Analogisieren und kontrastives Zuordnen ist zentral für Fontanes Raumgestalten. Leitend sind dabei topographische Oppositionen, die[...] zugleich semantische Oppositionen vorstellen. Die Handlung ist ausgespannt zwischen gegensätzlichen Handlungsräumen, die entsprechend der binären Kulturmuster Stadt/Land, Kultur/Natur, Metropole/Provinz, Heimat/Fremde gestaltet sind.« Der Außenseiter Gordon verkörpert dies als problematischen(prekären, liminalen) Zustand, dessen Zerrissenheit in Dichotomien und Inkompatibilitäten für diese Figuration der technischen, sozialen und globalistischen Moderne charakteristisch ist: »Er ist Repräsentant des technischen Fortschritts, doch seine Sehnsucht ist nostalgisch rückwärtsgewandt[...]. Er bewegt sich in großen geographischen Räumen und trägt den Gedanken an die Heimat mit sich. Er reitet auf dem Esel durch den Harz und hat das Bild des Himalaja vor Augen.« 8 Wie aber der unsichere Status Gordons in den oppositionellen Raumkoordinaten andeutet, verweigert diese Anordnung Orientierung über spatiale Zugehörigkeit, verweigert sogar die Entscheidung zwischen Entweder-oder und Sowohl-als-auch. Natürlich betrifft die Problematik der sich auch räumlich aussprechenden Alterität vor allem die Protagonistin Cécile mit ihrer schlesisch-katholischer Herkunft und ihrer Vorgeschichte moralischer Verfehlung, die sich ihrer religiösen, sozialen wie geographischen Mehrfachverortung bzw. Liminalität verdankt. Auch der epistemische Status der zahlreichen Doppelattribuierungen bleibt meist unsicher: Zuschreibungen können antagonistisch angeordnet sein(und sich damit oft gegenseitig aufheben), komplementär, gar paradox – immer jedenfalls dient die begriffliche Paarbildung gleichzeitig gegenseitiger Definition oder Konturierung wie wechselseitiger Verunsicherung. Denn die Aufstellung von»Extrem gegen Extrem«(195) erleichtert nicht die Orientierung, wie klare Oppositionsanordnungen dies normalerweise versprechen. Himalaja und Harz, Katholizismus und Protestantismus, Libertinage und Liberalität(276) fungieren gleichzeitig als Alternativen wie als partielle Substitute. Der epistemische Status der Komponenten solcher Paarbildungen bleibt meist in der Schwebe; oft werden durch die pointiert antagonistische Zusammenbindung Gegensätze überhaupt erst postuliert – wie in der Unterstellung, Céciles»Herz und Wille befehdeten einander«(290), oder in einem anderen Erzählerkommentar, der hier ohne
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(2017) 104
Seite
33
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