Heft 
(2017) 104
Seite
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»Die Welt ist eine Welt der Gegensätze« Krobb 35 Andernorts wird noch deutlicher die Gebunden- und Bedingtheit von Wer­tungen vorgeführt. Die Bezeichnungen des Hotelhundes, der die rnauds auf Ausflügen begleitet, als»Schlechter Hund«(Cécile) und»Guter Hund« (St. Arnaud)(206) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bewertungsperspektive und-motivation der Sprecher auf das Tier, das in dieser unscheinbaren Sze­ne die Zweierkonstellation des Touristen-Paares zum Dreieck ­erweitert was nicht nur eine vorausdeutende Spiegelung des Erscheinens Gordons auf der Bühne darstellt, nicht nur die Ambivalenz der Zuordnungen vor­führt(denn das Lob St. Arnauds wendet sich ja später in sein Gegenteil), sondern auch andeutet, dass das Wesen des Gegenstandes einer Bezeich­nung eher zweitrangig, jedenfalls aber willkürlich ist. Wieder anderswo stehen Unterscheidungen ausdrücklich zur Debatte, so die Sonderung »Echt von Unecht und Recht von Unrecht«(295), allerdings auch an dieser Stelle so, dass das Urteil des Sprechers als unsicher, vorläufig und situati­onsbedingt erscheint, die Unterscheidung mithin keinerlei Autorität be­anspruchen und Orientierung versprechen kann. Der prekäre Status von Definitionen kommt in der Festlegungsscheu von Sprechern und ihren Dia­logpartnern, in sofortigen Rücknahmen, Einschränkungen, Selbst­und Fremdkorrekturen von Aussagen zum Ausdruck, so wenn etwas als »nicht uninteressant. Und au fond doch wieder« eingeschätzt wird(275), so in einem Wortwechsel zwischen den beiden Statisten Emeritus und Egin­hardt:»›Man muß die Welt nehmen, wie sie liegt, und danach treu sein. ›Oder un treu. ›Meinetwegen.«(214; Hervorhebung im Text). Die Äuße­rung indiziert einerseits Beliebigkeit im Verhalten, indem sie nahelegt, dass eine Option so werthaft ist wie die andere; andererseits nimmt sie eine Festschreibung vor, insofern nämlich, als eine Kategorie der»Welt« und die Möglichkeit der»Treue« dieser gegenüber, als»Welt«-konformen Handelns stillschweigend gesetzt werden. Gegensätzliches erscheint lediglich als Ausprägungsform eines glei­chen Ursprungs, als Radikalität an sich, so wenn die Malerin Rosa Hexel von Gordon behauptet:»je mehr Don Juan, je mehr Torquemada«(182) und damit Recht behalten soll. Neben der vorausdeutenden Leistung kom­men Aussagen wie dieser(die auf den ersten Blick apodiktisch wirken, als clevere Bonmots ins Gespräch geworfen) die Funktion einer epistemologi­schen Kontraktion zu: Wenn oppositionelle Extreme verschieden applizier­te oder performative Versionen eines gemeinsamen Kerns sind, wo liegt dann die Mitte, das Gemäßigte, das Ausgleichende; wo liegen Norm und Maßstab, Kompromiss und Selbstverständlichkeit, wo ist der Ort der »Welt«, die Orientierung in Zustimmung und Ablehnung erheischt und ge­währt, und wie sieht sie aus? Mit der Zusammenbindung des notorischen Liebhabers und des fanatischen Ketzerverfolgers wird ein Spektrum abge­steckt, das eines Zentrums augenscheinlich entbehrt, denn was den Don