Heft 
(2017) 104
Seite
39
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»Die Welt ist eine Welt der Gegensätze« Krobb 39 begriffe auf beiden Seiten nicht voneinander unterscheiden und deshalb gar keinen Raum zwischen sich entstehen lassen. Dies verdeutlicht die Ver­wendung der beiden Ausdrücke und einer verwandten Begrifflichkeit an anderen Stellen des Romans. Der Kontext, in den die Losung»Mut« hineinschlägt, ist nicht lediglich durch eine allgemeine Aufmerksamkeitslenkung auf Fragen von Defini­tion, Kompatibilität, Substanz und Mitte bestimmt, sondern auch konkret durch eine leitmotivische Verhandlung der Bedeutung und Anwendbarkeit der Kategorien, welche das Ideal des Mutes rahmen. Der ausführliche Rat­schlag des Predigers greift auf eine Terminologie zurück und schließt sich an eine thematische Schiene an, die schon lange vorher im Buch etabliert ist und auch nach dieser Zentralstelle erneut wieder aufgegriffen wird. In verschiedenen Variationen, Kontexten und von verschiedenen Sprechern vorgetragen werden die den Wortkern umstellenden Komposita Demut und Hochmut lexikalisch und semantisch durch Anwendungsszenarien und durch das Ausprobieren von Synonymen wie Unterwerfung und Be­scheidung auf der einen Seite, Dünkel, Überheblichkeit oder Superiorität auf der anderen erhellt. So greift die Bemerkung der Tiermalerin Rosa Hexel, dass»Kunstprü­derie«»doch meistens nur Hochmut« sei(159), in ihrem Tenor die Rede von der Wesensgleichheit Don Juans und Torquemadas auf: dass das Gefühl, auf der Seite der Rechtschaffenheit und Konvention zu stehen, das heißt der Wille, sich Konventionen unterzuordnen und sie strikt(eben prüde) an­zulegen, das Anrecht auf moralische Überlegenheit verleiht. Wenn Unter­ordnung aber»Demut« gleichkommt, dann sind Demut und Hochmut in diesem Beispiel ein und dasselbe. Gordon unterstellt Arnaud»Rechthabe­rei, Dünkel und Eigensinn«, den»Stolz[...] eine schöne Frau zu besitzen« (277), und hebt so den selbstsüchtigen Charakter der dünkelhaften Pose hervor, die aber, im Lichte der anderen Beispiele, sich von der Selbstge­rechtigkeit des Unterwerfungswilligen nicht kategorial unterscheidet. Ge­neral von Rossow wendet sich in der großen Gesellschaftsszene des zwan­zigsten Kapitels gegen die»unglückselig[e] Anschauung von der geistigen Bedeutung der Offiziere«:»Alles Unsinn. Wissen und Talent ruinieren nur, weil sie bloß den Dünkel großziehen.«(272) Sein Widerpart Geheimrat ­Hedemeyer dagegen sieht in der»Unterwerfung« unter»ein System des Feil­schens und kleine Behandlung großer Fragen« die Antithese zu dem »Mut seiner Meinung« als Kernstück des preußischen Ethos:»unsere pro­testantische Freiheit, die Freiheit der Geister!«(269 f.) Beide Einlassungen sind vordergründig an entgegengesetzten Rändern der Skala zwischen Hoch- und Demut platziert, indem der Traditionalist den Fortschrittsimpe­tus der Kompetenz, also meritokratische über geburtsständische Prinzi­pien als Selbstüberhebung verwirft, der Liberale genau diese Fähigkeit als Wesenskern der idealisierten preußischen Gesellschaft preist. Bei aller