Heft 
(2017) 104
Seite
54
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54 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte ­älteste Kind hat freilich die Masern, und die Frau, das heißt die Gemahlin (und Gemahlin is eigentlich auch noch nicht das rechte Wort) die erwartet wieder. Man weiß nie recht, wie man mit ihr dran ist und wie man sie nen­nen soll, Oberförsterin Katzler oder Durchlaucht‹«(15 f.). Die Parenthese markiert Dubslavs Reflexion der Benennungsschwierig­keiten, die wiederum einen ersten Hinweis auf die Mesalliance 69 zwischen der ehemaligen Prinzessin Ippe-Büchsenstein und dem bürgerlichen Oberförster Katzler darstellt. Zuletzt besitzt die Textpassage einen ersten Vermerk zum Kinderreichtum des Ehepaars, der jedoch von einer hohen Sterblichkeitsrate gezeichnet ist(vgl. 16, 86, 215). Diese kann symbolisch für das antiquierte Preußentum stehen, das als marodes System nicht zu­kunftsweisend ist. 70 Tatsächlich erscheint Wladimir ohne seine Ehefrau zum Abendessen. Die Figur Ermyntrud gewinnt primär durch die diegetischen Gespräche an Präsenz und Profil und ist in dieser Hinsicht eine Parallelfigur zu Rentmeis­ter Fix. 71 Aufgrund des Kinderreichtums ist es Ermyntrud zumeist nicht möglich, an den gesellschaftlichen Ereignissen teilzunehmen. Nahezu wäh­rend des ganzen Romans befindet sie sich in Erwartung oder im Wochen­bett, somit erscheint sie, speziell in Bezug auf ihren Ehemann und den Su­perintendenten Koseleger(vgl. 84, 86 f., 382), fast als ›Graue Eminenz‹. Auf diese Tatsache spielt Dubslav auch in seiner Begrüßungsrede an, die in er­zählter Figurenrede durch den»primäre[n] nichtdiegetische[n] Erzähler« 72 präsentiert wird. Die Einblendung der Anrede»›Gemahlin‹« mittels »direkte[r] figurale[r] Benennung« 73 erinnert an Dubslavs Überlegungen zur angemessenen Ansprache von Ermyntrud. Die durch den Erzähler se­lektierten Geschehensmomente erfahren mit dem figuralen Einschub mit­tels der Klammer, der einen gewählten Ton integriert und der Darstellung einen szenischen Charakter verleiht, eine ironische Perspektivierung. Durch einen Erzählerkommentar wird die mangelnde Gesprächskom­petenz von Wladimir betont. Die Figur erweist sich laut dem Erzähler als überfordert, sobald ihm Gesprächsangebote entgegengebracht werden: »Katzler, ein vorzüglicher Herr, aber auf dem Gebiete der Konversa­tion doch nur von einer oft unausreichenden Orientierungsfähigkeit«(31 f.). Diese Einschätzung wird später figural perspektiviert, wenn Frau Gunder­mann in direkter Figurenrede zu Wort kommt und gegenüber Czako dar­legt, dass das Leben in der Grafschaft Ruppin wenig ereignisreich sei, be­sonders im Hinblick auf fehlende Gesprächspartner:»›Mit Katzlers,‹ aber dies flüsterte sie nur leise, ›mit Katzlers ist es nichts; die sind zu hoch ´raus. Da muß man sich denn klein machen‹«(35). Frau Gundermanns Aussage dient zugleich einer Selbstcharakterisierung, da ihr und ihrem Mann die Eigenschaft zukommt, sich stets in Szene zu setzen. Czako vermutet hier den Hinweis auf eine skandalöse Geschichte(vgl. auch 84). Die konsequen­te Fokussierung auf gesellschaftliche Skandalgeschichten dient innerhalb