Die Tonalität gesetzter Zeichen Nienhaus 57 rede. Innerhalb der ganzen Passage ist Wladimir von einem fortwährenden Widerhall der Rede Ermyntruds zum preußischen Pflichtbewußtsein umgeben. Die folgende Passage demonstriert, wie Merkmale des Erzählertextes neben Merkmalen des Figurentextes bei direkter Figurenrede bestehen: »›Ich komme, Herr von Stechlin, um nach ihrem Befinden zu fragen; Katzler(sie nannte ihn, unter geflissentlichster Vermeidung des allerdings plebejen ›mein Mann‹, immer nur bei seinem Familiennamen) hat mir von Ihrem Unwohlsein erzählt und mir Empfehlungen aufgetragen‹«(388 f.). 76 Die Figurenrede wird mittels der Klammer durch einen Erzählerkommentar unterbrochen. Der Sprachgebrauch der Figur wird auf diese Weise durch den Erzähler wieder ironisch perspektiviert. Zugleich erinnert die Passage an die Unsicherheiten Dubslavs bezüglich der angemessenen Anrede Ermyntruds. In der vorliegenden Passage kann von einer doppelten Textinterferenz gesprochen werden. Die Klammer markiert nicht allein das Eindringen der Erzählerrede in die Figurenrede und damit die Überlagerung von Figurentext und Erzählertext, sie präsentiert zugleich eine Erzählerrede, die den sprachlichen Duktus der Figur Ermyntruds imitiert. Die Auswahl des Themenfeldes verweist gleichzeitig auf den Figuren- und Erzählertext. Mit der dritten Person Singular besitzt der Einschub ein Merkmal des Erzählertextes. Das Merkmal der Bewertung changiert zwischen Erzählertext und Figurentext. Die Wendung»›mein Mann‹« wird aufgrund ihres aus der Perspektive Ermyntruds»›plebejen‹« Charakters abgelehnt. In der Anordnung und Exposition dieser Wertung emergiert der Erzählerkommentar, der diesem Sprachverhalten eine ironische Wertung beifügt. In der Klassifizierung bestimmter Worte als ›plebej‹ artikuliert sich zugleich die Distanzierung des märkischen Landadels gegenüber dem ›Bürgerlichen‹(vgl. exemplarisch: 87, 125, 389). Vergleicht man diese Passage mit jener, in der Woldemar Ermyntruds Aussagen zur Hochzeit mit Wladimir in zitierter Figurenrede in der Position eines sekundären nichtdiegetischen Erzählers wiedergibt, wird Ermyntruds konsequente Entscheidung ad absurdum geführt:»›Ich entschloß mich also für das Bürgerliche, und zwar ›voll und ganz‹, wie man jetzt, glaub´ ich, sagt‹«(88, vgl. auch exemplarisch: 389). Hierin zeigt sich zugleich die Inszenierung eines situativen Sprachgebrauchs. Wie sich der ›preußische Ehrbegriff‹ in Fontanes Romanen häufig als marode präsentiert, offenbart sich Ermyntruds Pflichtverständnis durch die floskelhafte Verwendung des Wortes ›Pflicht‹ im Erzählverlauf als inhaltsleer(vgl. 207–211). Ein weiteres Textbeispiel findet sich in der Charakterisierung von Armgards Musiklehrer. Die Figuren empfehlen sich gegenseitig bestimmte gesellschaftliche Themen im Umgang mit Dr. Niels Wrschowitz zu vermeiden (vgl. 152, 177). Bereits der erste Bericht zu Wrschowitz durch den Grafen Barby stellt den Musiklehrer der Figur Woldemar als»›Kuriosum‹«(148)
Heft
(2017) 104
Seite
57
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