Heft 
(2017) 104
Seite
58
Einzelbild herunterladen

58 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte und als Künstler zur»›Gruppe gens irritabilis‹«(150) gehörend vor. 77 Der Graf Barby erzählt Woldemar von Wrschowitz´ Unzufriedenheit mit sei­nem Vornamen, der als»›Wagnerianer‹« ein»›Niels Gade-Verächter‹« ist (149). Der Ärger über seinen Vornamen und damit verbundene Anspielun­gen auf seinen Namensvetter waren Anlass für seine Bemühungen um ei­nen Doktortitel(150). 78 Die Erzählung über Wrschowitz beendet der Graf mit einem höflich warnenden Hinweis für Woldemar:»›so bitt´ ich sie herz­lich, dieser Reizbarkeit eingedenk zu sein. Wenn irgend möglich, vermei­den sie Beziehungen auf die ganze skandinavische Welt, besonders aber auf Dänemark direkt. Er wittert überall Verrat‹«(150). Woldemars versehentlicher Verweis auf den Schriftsteller Henrik Hertz gegenüber Wrschowitz führt sogleich zu der prophezeiten Reaktion und beweist dessen ausgeprägte Reizbarkeit(152). Diese zeigt sich besonders in seinem Hang zur Kritik: »›Ich denke darüber ganz wie gnädige Frau. Was wir da lesen wie Ru­nenschrift nein, nicht wie Runenschrift(Wrschowitz unterbrach sich hier mißmutig über sein eignes Hineingeraten in´s Skandinavische) was wir da lesen in Briefen vom Hofe, das ist Krittikk. Und weil es Krittikk ist, ist es gutt. Mag es auch sein Mißbrauch von Krittikk‹«(272; vgl. zur Beto­nung des Wortes ›Krittikk‹ bei Wrschowitz auch: 155). Wrschowitz´ Beitrag zu einem von der Baronin Berchtesgaden eröffne­ten Gespräch über eine Inszenierung Johann Wolfgang von Goethes Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand konzentriert sich allein auf den Aspekt der Kritik. Seine häufige Nennung der Notwendigkeit von»›Krit­tikk‹«(vgl. 155, 270) erweist sich in ihrer Iteration als Attitüde und Phrase wie Ermyntruds Predigten zur Pflicht oder Gundermanns Verweise auf das Erstarken und die Strategien der Sozialdemokratie(vgl. 43, 82, 206). 79 Das problematische Verhältnis der Figur zu Skandinavien und ihre leichte Affizierbarkeit werden durch den erzählerischen Einschub laut. Die Wahl der dritten Person Singular verweist wieder auf den Erzählertext. Das»deiktische[] Ortsadverb«»hier« deutet darauf hin, dass es sich um eine»figurale räumliche Perspektive« handelt. 80 Das Adjektiv»mißmutig« steht zwischen Erzählertext und Figurentext, es kann die Deutung der äu­ßeren Erscheinung von Wrschowitz und zugleich die transponierte Ge­dankenrede des Musikers darstellen. Die Interferenz von Figurentext und Erzählertext findet sich auch in einer Figurenrede von Wrschowitz nach einem musikalischen Vorspiel im Haus der Barbys am Weihnachtsabend. »Wrschowitz spielte, weil er dem alten Grafen eine Aufmerksamkeit zu erweisen wünschte, die Polonaise von Oginski, bei deren erster, nun­mehr um siebzig Jahre zurückliegenden Aufführung, einem alten on dit zufolge, der polnisch gräfliche Komponist im Schlußmomente sich er­schossen haben sollte. Natürlich aus Liebe. ›Brav, brav,‹ sagte der alte Graf