Heft 
(2017) 104
Seite
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»Was heißt quitt ?« Selbmann 69 »Was heißt quitt?« Nachgefragtes zu Fontanes gleichnamigem Roman Rolf Selbmann Quitt gehört zu den weniger bekannten Romanen Fontanes; Quitt gilt als Nebenwerk. Sowohl die zeitgenössische Kritik als auch die Literaturwis­senschaft haben diesen, immerhin den viertlängsten Roman Fontanes, kaum geschätzt. Woran liegt das? Das nachträgliche Urteil späterer Leser scheint Fontanes eigenen Vorgaben zu folgen, hatte doch dieser die drasti­schen Kürzungen um ein Drittel, Streichungen und Verunstaltungen für den Vorabdruck Anfang 1890 in elf Folgen der Gartenlaube nicht nur klag­los hingenommen, sondern mit Blick auf deren Leserschaft(»aus der Schüssel, aus der 300 000 Deutsche essen, ich ruhig mit«) geradezu sanktioniert:»frei schalten zu wollen, ohne mir die Sache nochmal vorzu­legen«. 1 Intern gestand er dann doch ein,»daß bei den starken Streichun­gen auch alle meine Finessen gefallen sind« und von dem einen oder ande­ren aufgebauten»kunstvollen Gegensatz nicht viel übrig geblieben ist«. 2 1. Kein Kriminalroman Zu dieser Schiefstellung hat auch beigetragen, dass Fontane Quitt im An­schluss an seine Kriminalerzählung Unterm Birnbaum, ebenfalls 1885 in Fortsetzungen zuerst in der Gartenlaube erschienen, verfasst hat. Diese falsche Nähe reduziert Quitt auf einen Kriminalroman; 3 auch andere Ein­ordnungsversuche, die auf vergleichbare Sinndeutungs-Titel Fontanes wie Unwiederbringlich, L´Adultera, Irrungen, Wirrungen oder Vor dem Sturm verweisen, führen in die Irre(s. unten). Der Nachweis, dass sich Fontane bewährter Erzählmuster zwischen Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre und Flauberts Madame Bovary bedient, 4 verortet Quitt literaturge­schichtlich auf eine»mittlere Stellung zwischen dem moralisierenden The­oretiker Schiller und dem späten Determinationsglauben des Naturalis­mus«. 5 Erst neuere Untersuchungen, etwa zur»Bildwelt« des Romans, bemühen sich um eine Aufwertung. 6