»Was heißt quitt ?« Selbmann 69 »Was heißt quitt?« Nachgefragtes zu Fontanes gleichnamigem Roman Rolf Selbmann Quitt gehört zu den weniger bekannten Romanen Fontanes; Quitt gilt als Nebenwerk. Sowohl die zeitgenössische Kritik als auch die Literaturwissenschaft haben diesen, immerhin den viertlängsten Roman Fontanes, kaum geschätzt. Woran liegt das? Das nachträgliche Urteil späterer Leser scheint Fontanes eigenen Vorgaben zu folgen, hatte doch dieser die drastischen Kürzungen um ein Drittel, Streichungen und Verunstaltungen für den Vorabdruck Anfang 1890 in elf Folgen der Gartenlaube nicht nur klaglos hingenommen, sondern mit Blick auf deren Leserschaft(»aus der Schüssel, aus der 300 000 Deutsche essen, eß ich ruhig mit«) geradezu sanktioniert:»frei schalten zu wollen, ohne mir die Sache nochmal vorzulegen«. 1 Intern gestand er dann doch ein,»daß bei den starken Streichungen auch alle meine Finessen gefallen sind« und von dem einen oder anderen aufgebauten»kunstvollen Gegensatz nicht viel übrig geblieben ist«. 2 1. Kein Kriminalroman Zu dieser Schiefstellung hat auch beigetragen, dass Fontane Quitt im Anschluss an seine Kriminalerzählung Unterm Birnbaum, ebenfalls 1885 in Fortsetzungen zuerst in der Gartenlaube erschienen, verfasst hat. Diese falsche Nähe reduziert Quitt auf einen Kriminalroman; 3 auch andere Einordnungsversuche, die auf vergleichbare Sinndeutungs-Titel Fontanes wie Unwiederbringlich, L´Adultera, Irrungen, Wirrungen oder Vor dem Sturm verweisen, führen in die Irre(s. unten). Der Nachweis, dass sich Fontane bewährter Erzählmuster zwischen Schillers Der Verbrecher aus verlorener Ehre und Flauberts Madame Bovary bedient, 4 verortet Quitt literaturgeschichtlich auf eine»mittlere Stellung zwischen dem moralisierenden Theoretiker Schiller und dem späten Determinationsglauben des Naturalismus«. 5 Erst neuere Untersuchungen, etwa zur»Bildwelt« des Romans, bemühen sich um eine Aufwertung. 6
Heft
(2017) 104
Seite
69
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