Heft 
(2017) 104
Seite
70
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70 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Im Unterschied zur Morderzählung Unterm Birnbaum ist Quitt kein Krimi­nalroman: 7 Der vom Protagonisten erschossene Förster Opitz liefert zwar Ausgangspunkt, Kernkonflikt und Handlungsmovens, kommt jedoch ohne jede Spannung auf den Tathergang und ohne detektivische Aufklärung aus. Im Mittelpunkt steht vielmehr ein Erzähler, der seine auktoriale Grundhaltung immer wieder zugunsten einer tiefen Einfühlung in seinen Helden aufgibt: »Lehnert verwand es schneller, als er selber gedacht haben mochte. Hätt er klarer in seinem Herzen lesen können, so würd er gefunden haben, daß er eigentlich froh war, seines Gegners Schuldsumme wachsen zu sehn. Je mehr und je rascher, desto rascher mußt auch die Abrechnung kommen, das war das Gefühl, das ihn mehr und mehr zu beherrschen begann.« 8 Darin zeigt sich eine unverhohlene Sympathie des Erzählers mit seinem Helden, die diesen zu einer»Bekenntnisfigur Fontanes« macht. 9 So tritt uns Lehnert Menz nicht als eine bloße Spielfigur vor Augen, sondern als ein Psychogramm: »Ja, das schmeichelte seiner Eitelkeit und gab ihm eine momentane Be­friedigung, die meiste Zeit aber war er nicht bloß unzufrieden mit aller Welt, sondern auch mit sich selbst und konnte zu keinem festen Entschluß kommen. All das Sprechen von Krieg und Auswanderung und Salzsee war doch nur ein müßiges Spiel[...]«.(326) »Lehnert war klug genug, alles, was in diesen seinen Worten Trug­schluß und Spiegelfechterei war, zu durchschauen; aber er war auch ver­rannt und befangen genug, sich drüber hinwegzusetzen, und so kam es, daß er sich wie befreit fühlte, nach all dem Schwanken endlich einen be­stimmten Entschluß gefaßt zu haben.«(331) »Denn wenn er schon, wie soviel andere, die Fähigkeit hatte, sich die Dinge, auch die schlimmsten, nach seinem Wunsch und Gebrauch zurecht­zulegen, so war, im besonderen, alles, was sich gestern abend ereignet hat­te, so wunderbar glücklich für ihn verlaufen, daß selbst ein zu Trugschlüs­sen und Spiegelfechtereien minder geneigter Charakter als der seine Veranlassung gehabt hätte, sich über Gewissensskrupel einigermaßen hinwegzusetzen.«(341) Aus dieser verständnisvollen Perspektive bewertet der Roman den Tod des Försters ausdrücklich nicht als Mord, weder in juristischem Sinn noch in der Einschätzung des Autors. Der Täter Lehnert Menz arrangiert viel­mehr das Duell als eine Art Gottesurteil(331:»ich will es in Gottes Hand legen«); sucht immer wieder»nach einem weiteren Zeichen«(334) für die angebliche Rechtmäßigkeit seines Vorgehens, das er»in eine höhere Hand« zu legen glaubt:»Sein Schicksal soll über ihn entscheiden, nicht ich«(335). Auch wenn Lehnert bei diesem»Spiel« selbst Zweifel kommen(336:»Heißt das sein Schicksal befragen?«),»denn er wußte nur zu gut, daß er bis dahin