Heft 
(2017) 104
Seite
72
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72 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte des Beschuldigten(358:»das beweise sein gutes Gewissen«) setzt sich eine immer schon voreingenommene Justiz durch, bis sie triumphieren kann: »Wir haben ihn!«(362) 2. Amerika Neben der fehlleitenden Parallelisierung mit Unterm Birnbaum leidet die Wertschätzung von Quitt unter der für Fontane ungewöhnlichen Verbin­dung zweier Schauplätze des Romans. So wird dem Roman vorgehalten, dass der erste Schauplatz Schlesien aus der Kenntnis von Fontanes Som­merfrischen durch topografische Genauigkeit ausgezeichnet, der zweite, umfangreichere amerikanische Schauplatz aber nur aus Lesefrüchten und dadurch unanschaulich zusammengestellt sei. 11 Diese unterstellte Zweitei­lung zwischen Anschaulichkeit und bloßem Bücherwissen hat dazu ge­führt, die beiden Hälften von Quitt als auseinanderklaffende Teile, als»ein überaus heterogenes Gebilde« 12 oder gar als»ein disparates Gebilde« 13 zu bewerten. Die neuere Forschung hat freilich gezeigt, wie präzis Fontane gerade den amerikanischen Teil an der dortigen Realität ausgerichtet hat die sich allerdings schon kurz nach dem Erscheinen des Romans dras­tisch verändert hat und deshalb nicht mehr sachgerecht rekonstruiert wer­den kann. 14 Nimmt man hingegen die(angebliche) Heterogenität der bei­den Teile nicht als Mangel, sondern als Erzählerintention, dann lässt sich daran ein präzises Strukturmodell ablesen. Dann wären die beiden Teile nicht auf Kongruenz und somit auf plane Spiegelbildlichkeit angelegt, 15 sondern sie fungierten als Gegenüberstellung, ja geradezu als Umkehrung der Ausgangskonstellationen. 16 Das geistliche Oberhaupt der Mennoniten­gemeinde, Obadja Hornbostel, wäre dann nicht die Rückspiegelung des schlesischen Pastors Siebenhaar nach Amerika, sondern dessen korrigier­te, ins praktische Leben eines ganz anderen gesellschaftlichen Modells übertragene Version. Siebenhaar mag ja ein gutmütiger Pastor sein, der es mit seinen Schäfchen gut meint. In seiner seelsorgerischen Praxis ergreift er, obwohl er sich selbst als vermittelnde und neutrale Instanz hinstellt, entschieden Partei für den Vertreter der staatlichen Ordnung und für das Recht der Mächtigen. Dass er Lehnert öffentlich»angepredigt« und dem Förster»recht gegeben« hat(280), sieht auch die Dorfgemeinschaft als of­fensichtliches Unrecht und als einseitige Parteinahme. Der amerikanische geistliche Führer hingegen zeigt als»Wegweiser«»in die rechte Richt« (430), gleichsam als die Projektion dieses Strukturmodells von Richtung und Gegenrichtung. 17 Er nimmt auch, als Vorausdeutung des Romans, ohne dass er es wissen kann, mit seinem Spruch:»Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen«(430), die hartherzige Interpretation Espes am Romanschluss wörtlich auf(507).