Heft 
(2017) 104
Seite
76
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76 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte des Kreuzes auf sich und in seinem Namen trägt. Schließlich war das Kreuz in Quitt zu einem nicht geheimen Leitmotiv aufgerückt, angefangen vom Eisernen Kreuz, das Lehnert eigentlich zusteht und das sich Opitz zum Zei­chen seiner Vorrangigkeit aneignet, das den Roman in vielfachen Erwäh­nungen durchzieht(310:»die Geschichte von dem Kreuz immer und immer wieder aufzutischen«). Dieses Kreuz wird für Lehnert geradezu zur Phobie, zur Übertragungsfigur für seinen Blick auf Opitz:»Um das Kreuz hat er mich gebracht, aber mein Haus- und Lebenskreuz war er von Anfang an« (330). Folgerichtig träumt auch sein Spiegel-Zerrbild L´Hermite von einer Gespenstererscheinung mit einem»Kreuz vor der Brust«(415). In Amerika wird die katholische Maruschka immer wieder das Kreuz schlagen(430) oder sich»demonstrativ« mit einem Kreuz zu schaffen machen(423). Am Ende wird Lehnerts Sarg mit einem Bahrtuch bedeckt,»in das ein großes silbernes Kreuz eingestickt war«(499). Dieses dichte Netz biblischer und mythologischer Anspielungen und Verweisungen ist herausgearbeitet worden. 20 Solche Bezüge sind sinntragend, etwa wenn Opitz´ Jagdhün­din(!) Diana Lehnerts Silberhahn umbringt oder wenn dieser Hahnentod ausdrücklich in Beziehung zum von Lehnert erschossenen Hasen gerückt wird(320 f.). L´Hermites Fensterkreuzvision wird von Lehnert über das Bild der dazu nötigen»Leiter«(415) sehr schnell zu jener»Himmelsleiter« überführt, auf der die Engel herniedersteigen(416) und damit eine eigene alttestamentarische Bildlichkeit eingeleitet. Lehnerts Werbung um Ruth wird von Obadja mit Jakobs Werbung um Rahel parallelisiert(476) und damit auch die mittlerweile vergangene Zeitspanne seit dem Tod Opitz´ (482:»sieben Jahre«) eingespielt. Als zweiter Jakob, dem im Kampf mit dem Engel die Hüfte ausgerenkt wurde, stirbt auch Lehnert; ihm»war der Hüft­knochen aus dem Gelenk gesprungen«(493). Verführt von solchen Bezüglichkeiten darf man sich nicht dazu verleiten lassen, Figurenparallelisierungen überzustrapazieren, auf dass sie nicht in Schiefstellungen geraten. So steht die Figur des schlesischen Pastors Sie­benhaar für geistliche Autorität, rückt zugleich aber auch in ein fragwürdi­ges Licht, weil sie sich im Konfliktfall sofort bedingungslos auf die Seite der Obrigkeit stellt(280:»Aber er hat den Spieß umgedreht und hat Opitzen recht gegeben. Und das ist nicht recht.«). Siebenhaar passt damit in die Rei­he von Fontanes Geistlichenfiguren. 21 Auch Obadja Hornbostel fungiert in seiner Gemeinde als geistliches Oberhaupt,»eine Art Bischof«, wie Fontane schon früh bei seinen Mennoniten-Studien herausgefunden hat, 22 aus der Sicht Tobys sogar beinahe»Papst«(397). Gleichzeitig ist Obadja aber eine von jedermann akzeptierte Autorität ohne offizielle Stellung; nicht nur das unterscheidet ihn vom schlesischen Siebenhaar als einem Vertreter der Amtskirche. Obadja verficht zwar die(amerikanischen) Ideale von Freiheit und Demokratie, aber nicht als Wortführer eines american way of life, son­dern ausdrücklich unter Berufung auf die alteuropäische, gar preußische