Heft 
(2017) 104
Seite
81
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»Was heißt quitt ?« Selbmann 81 dieser Staat faktisch ein»Polizeistaat«(312) ist. Unter dieser Oberfläche haben die alten ständischen Privilegien aber immer noch ihre Gültigkeit. Lehnert, der die eigentlich abgeschaffte Lehensherrschaft noch in seinem Namen mit sich herumschleppt, betont vom Anfang des Romans an die neue Rechtsgleichheit, in der die alten standesrechtlichen Privilegien nichts mehr gelten dürfen(264:»Ist der denn dein Herr?«); aus der Sicht der Verfechter der alten Ordnungsmächte wird ihm dies als»Stolz« und »Übermut« ausgelegt(326). Der Förster Opitz hingegen pocht auf herr­schaftliche»Unterschiede«, die zugleich auf eine höhere Ordnung verwei­sen und gesamtherrschaftsstabilisierend wirken(289:»Unterschiede müs­sen sein, Unterschiede sind Gottes Ordnungen«). Lehnert ist ihm auf Grund seiner überdurchschnittlichen Bildung und der unterschwellig po­litischen Ausrichtung seines Widerstands dagegen ein besonderer Dorn im Auge; für Opitz hängt die gesamte preußische Staatsordnung daran: »Nein, die Welt geht nicht unter. Aber Ordre parieren geht unter, Ordre parieren, ohne das die Welt nicht gut sein kann. Und heut am wenigsten, wo jeder denkt, er sei ein Graf oder Herr und könne tun, was ihm beliebt, und sei kein Unterschied mehr. Das ist die verdammte neue Zeit, die das Maulhelden- und Schreibervolk gemacht hat, Kerle, die keinen Fuchs von einem Hasen unterscheiden können, trotzdem sie beides sind. Geh mir da­mit. Ich weiß, was ich zu tun hab. Und dieser Bengel, dieser Herr Lehnert Menz, gehört auch dazu, hat die Glocken läuten hören, schwatzt und quatscht von Freiheit, will nach Amerika gehen und hat keine Ahnung da­von, daß sie da drüben noch ganz anders heran müssen als hier, sonst holt sie der Teufel erst recht und lacht sie mit ihrer ganzen Freiheit aus. Ich sage dir, hier ist es am besten, hier, weil wir Ordnung haben und einen König und eine Armee und Bismarcken. Ich sage dir, was die Richtigen sind da drüben, die lachen, wenn sie von Freiheit hören; denn sie wissen am bes­ten, daß nichts dahinter ist.«(289) Diese Stelle ist als Schlüsselszene deshalb zentral, weil Fontane hier nicht nur die tradierte Obrigkeitsordnung(»Graf oder Herr« statt»Herr Lehnert Menz«) und die»neue Zeit« mit einer der politischen Bildung ge­schuldeten Aufklärung(»Schreibervolk«;»hat die Glocken läuten hören«) konfrontiert, sondern auch schon den Blick auf»Amerika« als Verheißung von»Freiheit« öffnet, der Lehnert folgen wird. Darüber hinaus lässt Fonta­ne Vorausdeutungen spielen, etwa den»Hasen«, den Lehnert erschießen und der den Konflikt endgültig zuspitzen wird, oder im von Opitz einge­führten»Fuchs«, der darauf hindeutet, dass Opitz´ Jagdhündin Diana Leh­nerts geliebten Silberhahn zur Strecke bringen wird. Zudem bringt der Dreiklang»einen König und eine Armee und Bismarcken« des Neuen Reichs auf den Begriff von autoritärer Monarchie, Militärstaat und rück­sichtslosem Umgang mit jeder innenpolitischen Opposition. Obwohl der Förster Opitz»nicht sein Vorgesetzter« ist(290), selber»in Dienst und