Heft 
(2017) 104
Seite
82
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82 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Lohn«(288) einer Herrschaft steht, leitet er daraus einen herausgehobenen Status gegenüber dem eigentlich unabhängigen Staatsbürger Lehnert ab, was dieser zurückweist:»Ach was, der Herr! Ein Diener ist er. Ich bin ein Herr, wenigstens eher als er, und kann machen, was ich will.«(294) Lehnerts Mutter hingegen hat»die alte Geschichte«»noch ganz aus der Kriechezeit« so internalisiert(264), dass sie ihr unterwürfiges Verhalten auch in der Gegenwart unbeirrt fortsetzt und in drastischer Verkürzung sogar noch zuspitzt:»Opitz ist Obrigkeit und ein guter Mann und steht ei­gentlich in Gottes Namen da«(307). Die Abweisung durch ihren Sohn als »Unsinn« 33 bleibt ohne Wirkung. Die Untertanenseele der Mutter zeigt bei aller Biegsamkeit vor der angeblichen Macht, in der Hoffnung, einen»gnä­digen Abschiedsblick« von Opitz zu erhaschen(324), auch ihre brutale Sei­te des willfährig unterwürfigen Untertanen, die sich sentimental verbrämt, etwa»beim Gänseschlachten«. 34 Der beim waldbesitzenden Grafen in Dienst stehende Förster hingegen leitet aus dieser seiner Position einen besonderen Respekt ab,»weil er im Dienst ist und die Gerichte neben und hinter sich hat«(314). Den Schmugg­ler Lehnert hat Opitz»an die Grenzaufseher verraten«(270), was Lehnert schon Gefängnishaft eingebracht hat und bei jedem weiteren Delikt zu»ei­ner zweiten Verurteilung«(325) und zum strafverschärfenden»Wiederbe­tretungsfall« führt(327). Der Förster gibt daher keine behördliche Anzeige auf, zu der es eindeutiger Beweise bedürfte, sondern schreibt einen»Be­richt an den Grafen«(327) und macht damit den neuen Pseudo-Rechtsstaat zum Büttel der alten Standesinteressen. Dieser Bericht gerät in der indi­rekten Aussage der Dienstmagd Christine besonders scharf, weil hristine vorgibt, wörtlich zu zitieren. Lehnert erscheint darin als zu»jeder Tat« fähig(328:»das Wort ›jeder‹ ist noch extra rot unterstrichen«), Lehnerts Vergehen wird sogar als übergreifende»Widersetzlichkeit« mit staatsge­fährdenden Implikationen dargestellt, so dass Lehnert als»Verführer für die ganze Gegend« und als»Aufwiegler« denunziert wird(328), was den Anzeiger Opitz wiederum als»einen pflichttreuen Mann« und als»eine Stütze von Land und Thron«(329) erscheinen lässt, während er von außen besehen als die»ins Teuflische gesteigerte Inkarnation der Obrigkeitsge­sinnung« auftritt. 35 Dieser Konflikt zwischen einem sich rechtsstaatlich gebenden Obrig­keitsstaat und dem ständischen Privilegienstaat alter Ordnung entzündet sich am alten Adelsrecht der Jagd, von dem die anderen Staatsbürger(frü­her Untertanen) ausgeschlossen sind und das diese nun als ihr»Recht« ein­fordern dass man»das Verbotene nicht bloß tut, sondern sich´s auch noch berühmt«(308). Wilderei und Schmuggelei fungieren also nicht als Eigen­tumsdelikte, sondern als Widerstandsbekundungen gegenüber ständi­schen Vorrechten. 36 Lehnert ist selbst in diesem Zwiespalt gefangen, 37 schon durch seinen Namen, seine Vorgeschichte, verkörpert im Verhalten