Heft 
(2017) 104
Seite
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»Was heißt quitt ?« Selbmann 85 das Schwert umkommen«), das heute, also nach der Reichsgründung, ei­gentlich dem Staat zusteht und im Fall Lehnert Menz nicht gegriffen hat (»leer ausgegangen«). Dabei sind alle Relativierungen einzulesen: Der Ro­mantext hebt»quitt« nicht nur druckgrafisch hervor; er stellt auch Espes Nachfrage in den Kontext einer Diskussion über»Schuld und Unschuld« im Fall des getöteten Försters, zu dem der Kammergerichtsassessor mit dem sprechenden Namen Unverdorben schon viel früher die parallel geschaltete Frage gestellt hatte:»Was heißt Gerechtigkeit?«(372) Dazu treten die bei Fontane immer wichtigen, erst recht in einem zu großen Teilen in den USA spielenden Roman fremdsprachlichen Nebenbedeutungen von»quitt«. Im englischen»to quit« steckt sehr viel Abstandnehmen und Aufgeben, im na­heliegenden»quite« ist sowohl Verstärkung aus auch Einschränkung ent­halten, erst recht, wenn der sterbende Lehnert die Hoffnung auf ein solches » quitt« zum Kernpunkt seines Vermächtnisses macht(499:»quite dead«). Im Französischen schließlich und die zentrale Figur L´Hermite lässt seine Anspielungen fast nur französisch fallen muss man quitter als willenstar­kes Abstandnehmen verstehen, zumal L´Hermite selbst auf dreifach unter­schiedliche Weise reagiert: Bei Lehnerts Auszug zur(vermeintlichen) Ret­tung(490:»Ça ira... Wird es? Non.«), bei der Meldung von Lehnerts Tod (496:»La mort sans phrase«) und dann»mit sonderbarem Ernste« bei der gemeinsamen Beerdigung»seiner beiden besten Freunde«,»eine Rothaut und einen Prussien«(500), als könne diese symbolische Aufhebung der (sonst im Roman nicht thematisierten) Rassenfrage zugleich mit der deutsch­französischen Erbfeindschaft dieses»quitt« ad absurdum führen. Außerdem besiegelt Lehnert seinen Tod eben nicht eindeutig mit » quitt«, sondern eingebunden in die Bitte um Schuldvergebung und die nicht zu unterschätzende Einschränkung:»Ich hoffe«(499). Dieser mit eige­nem Blut schriftlich fixierten Schulderklärung geht freilich seine Selbst­deutung des Unfalls in erlebter Rede als»Gottes Wille« voraus, als»Lehre« und»Zeichen«(494) höherer Provenienz. Ein tatsächlicher Ausgleich wird allerdings durch die Ähnlichkeit der beiden Tode hergestellt, Opitz mit sei­nen Notizbuch-Aufzeichnungen,»unter die Zweige eines Busches gebet­tet«,»die Jagdtasche unterm Kopf, das Gewehr neben sich, die Hände ge­faltet«(353), Lehnerts Auffindung mit seinen Zeitungsblatt-Notizen,»unter Zweigwerk«,»die Jagdtasche unter dem Kopf; neben ihm lag das Ge­wehr«, die linke Hand auf der»Brusttasche«(498). Lehnerts letzte eigenen Worte geben eine ganz andere Erklärung als die ausgleichende Gerechtig­keit von»quitt«, nämlich einen freiwilligen Abschied:»Gut... Ich bin fertig ... Ich komme.«(495) Der Mitteilungsbrief über Lehnerts Tod zitiert nicht nur dessen selbst geschriebenes» quitt«, sondern fügt ihm eine Deutung nach der»Überzeugung« Obadjas bei, der Tod sei»ein Ausgleich und eine Sühne« gewesen(500);»seine Buße habe seine Schuld gesühnt: ›Hoffnung läßt nicht zuschanden werden.«(503) Mit dem nachgeschobenen Zitat aus