Hermann Hesse und Theodor Fontane Iven 157 noch im Schuldienst tätigen Schweizer Schriftstellers Ernst Kappeler (1911–1987), ob Hesse nicht ein Urteil zu dessen neuesten Gedichten abgeben könne, mit der äußerst diplomatischen Formulierung:»Mit meinen Bücherbesprechungen ist es so: ich berichte das Jahr hindurch über das, was ich lese, aber nur über Bücher, die in irgendeinem Sinn etwas Vorbildliches und Gültiges haben, die ich als Ergebnisse und Früchte unsrer Zeit ansehe und denen ich zutraue, daß sie vielleicht noch bis morgen oder übermorgen bestehen werden.« 19 Dieses»Zutrauen« hatte er offensichtlich auch Fontanes Werk gegenüber. In der hier angesprochenen, unter dem Titel Buchhändler-Weihnacht in Basel gedruckten Besprechung fand sich zumindest der Satz:»So zeigte sich, dem Buchhandel leider unerwartet, dieses Jahr urplötzlich eine sehr reichliche Nachfrage nach Werken Fontanes, wohl auch auf die Anregungen des ›Kunstwart‹ hin.« 20 Die diesbezügliche, den Kauf befördernde und hier von Hesse erwähnte Notiz des Kunstwart las sich wie folgt: »An die Spitze der ›Moderne‹ stellen wir Theodor Fontane – wer von ihm noch nichts kennt, kann sich die gesamten weiteren ›modernen‹ deutschen Erzähler schenken, bis er das Versäumte nachgeholt. ›Vor dem Sturm‹, ›Grete Minde‹, ›Schach von Wuthenow‹ als historische, ›Cecile‹, ›Stine‹, ›Frau Jenny Treibel‹, ›Effi Briest‹, ›Der Stechlin‹ als moderne Romane und man hat ein leidlich vollständiges Bild von dem Altmeister.« 21 In einer am 16. Mai 1905 in der Münchner Zeitung gedruckten Besprechung verwies Hesse auf das posthum erschienene Romanfragment Glückliche Menschen(Verlag F. Fontane und Co., Berlin, 1905). Zusammenfassend stellte er fest, dass die»oft an Fontane erinnernde kühlsichere Sprache« des dem Friedrichshagener Dichterkreis zugehörenden Autors Wilhelm von Polenz(1861–1903)»eine Echtheit und schöne Reife[hat], die man nicht wieder vergißt«. 22 Erst ein Jahrzehnt später tauchte Fontanes Name erneut in einem Artikel Hesses auf. Anlässlich des 50. Geburtstages von Emil Strauß(1866–1960) erschien im Februar 1916 in der in Zürich herausgegebenen illustrierten Monatsschrift Die Schweiz unter der Überschrift Ein süddeutscher Dichter eine Würdigung des in Pforzheim geborenen Schriftstellerkollegen, den Hesse in eine Reihe mit»dem großen süddeutschen Erzähler Keller« und den»beiden Norddeutschen Fontane und Raabe« stellte. 23 – Woraus die hier explizit hervorgehobene Nord-Süd-Unterscheidung resultierte, hatte er gegenüber Helene Voigt bereits 1897 so erklärt:»Ich bin dem Blute nach Balte und liebe nordische Landschaften und Menschen.« 24 Seit 1904 gehörte Hesse zu den Redakteuren der unter dem Titel Die Propyläen einmal wöchentlich erscheinenden kulturellen Beilage der
Heft
(2017) 104
Seite
157
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