160 Fontane Blätter 104 Vermischtes Edschmids alles Überlieferte in Frage stellende Äußerungen und betonte im Gegensatz zu ihm insbesondere die literarischen Leistungen des 19. Jahrhunderts. Er schrieb in diesem Zusammenhang unter anderem: »Darum scheint es mir nicht bedenklich zu stehen mit dem historischen Unrecht, das ein Aufsatz wie der von Edschmid begeht. Wer bisher Keller oder Fontane, Storm oder Ibsen geliebt hat, wird sie heut nicht wegwerfen, nicht um alle schönsten Artikel der Welt.« 35 Erst Anfang der dreißiger Jahre sollten sich wieder Verweise auf Fontanes Werke in Hesses Buchbesprechungen finden. So empfahl er in der Münchner Zeitung vom 23. Januar 1931 die Gesammelten Romane in sechs Bänden, 1929 vom Leipziger Verlag Hesse& Becker ausgeliefert. 36 Und zwei Jahre später, am 3. Februar 1933, hieß es ebenda: »Es sei nun unser Rundgang durch die wohlfeilsten Volksausgaben guter Bücher fortgesetzt, und wieder einige Verleger mit besonders beachtenswerten Leistungen auf diesem Gebiet aufgeführt.[…] Th. Knaur Nachf. in Berlin[…] In seinen ›Standardbüchern‹ bringt er, jeden Band ebenfalls für 2.85 Mark, in Leinen, unter anderem[…] Fontanes ›Vor dem Sturm‹[…].« 37 Velhagen& Klasings Monatshefte brachten im Juli 1933 einen Artikel von Hermann Hesse, der dessen Besuch bei Wilhelm Raabe in Braunschweig im Jahre 1909 zum Thema hatte. Inhaltlich ging es darin nicht allein um die Frage der Berühmtheit, sondern – mit dem Blick auf das Zeitgeschehen – auch um den Verlust des Althergebrachten und somit um ein Bekenntnis zum Traditionellen. Nur wenigen würde es demnach vergönnt sein, in die Annalen der Literaturgeschichte einzugehen. Hesse urteilte: »Von seinen Zeitgenossen sind zum Beispiel Storm und auch Fontane in den Literaturgeschichten, in den Lesebüchern und so weiter sicherer und besser eingeordnet als er.« 38 Zwischen März 1935 und September 1936 – seine Bücher wurden zwar noch in Deutschland verkauft und er durfte auch veröffentlichen, Beiträge von ihm waren aber in den Zeitungen und Zeitschriften des Dritten Reiches eher unerwünscht – erschienen in der führenden schwedischen Literaturzeitschrift Bonniers Litterära Magasin mehrere von Hesse verfasste Literaturberichte. Anlässlich des Erscheinens einer zweibändigen Neuausgabe der Baltischen Romane Eduard von Keyserlings(1855–1918) im September 1935 hob er dessen stilistische Nähe zu Fontane hervor:»In der deutschen Romanliteratur wird Keyserling als der beste Nachfolger T heodor Fontanes und als letzter Schilderer jener baltischen Junkerkultur fortleben, die so wunderlich aus naiv-vitalen und dekadenten Zügen gemischt war und zugleich mit dem zaristischen Rußland verschwunden ist.« 39 Gegen Ende seines Lebens, im Sommer 1959, erreichten Hermann Hesse zwei Schreiben von Berthold Spangenberg(1916–1986), dem seinerzeitigen
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(2017) 104
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160
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