162 Fontane Blätter 104 Vermischtes Thomas Mann und Theodor Fontane. – Anlässlich des 100. Fontane-Geburtstages am 30. Dezember 1919 wurde fünf Tage zuvor im Berliner Tageblatt die von der Redaktion gekürzte Fassung 51 einer Besprechung zu Conrad Wandreys(1887–1944) Fontane-Biographie 52 veröffentlicht. Der Autor Thomas Mann hob darin hervor, dass Fontanes Effi Briest»nach des Verfassers wahrhaftiger Feststellung, aus der deutschen in die Weltliteratur ragt[…]. Eine Romanbibliothek der rigorosesten Auswahl, und beschränkte man sie auf ein Dutzend Bände, auf zehn, auf sechs, – sie dürfte ›Effi Briest‹ nicht vermissen lassen.« 53 Dass Thomas Mann, der über Fontane»nie anders als mit einer richtigen Zärtlichkeit« sprach, 54 Effi Briest Zeit seines Lebens 55 schätzte und ihm Inhalt und Text präsent waren, zeigt die Antwort auf einen offenbar nicht überlieferten, Ende 1952 geschriebenen Brief von Hesse. Im Rückgriff auf ein Zitat riet ihm Thomas Mann:»Sie können es sich wahrhaftig leisten, jetzt ein bischen ›dösig, faul, dumm‹ zu sein – oder sich so vorzukommen. ›Kenn´ ich, kenn´ ich‹, 56 würde der alte Briest sagen.« 57 – Als Hesse rund sechs Wochen nach Erhalt des Schreibens an einer kleinen Erzählung über einen Ausflug ins Karnevalstreiben von Lugano arbeitete und sich dabei vor allem an ein als»Kaminfegerchen« 58 verkleidetes Kind erinnerte, fiel ihm auch der von Thomas Mann zitierte Satz ein. In dem am 24. Februar 1953 unter dem Titel Skizzenblatt in der Neuen Zürcher Zeitung publizierten autobiographischen Text wurde vor allem»der kleine holde Rausch des Sehens und Hörens« beschrieben, der Hesse zusehends ermüdete. Der »Hingabe an die üppige Fülle der Augen- und Ohrengenüsse würde die Ermattung und jene dem Schwindel nah verwandte Furcht vor dem Ansturm der nicht mehr zu bewältigenden Eindrucke folgen«. Und er schloss mit der Feststellung:»›Kenne ich, kenne ich‹, würde hier Thomas Mann den Vater Briest zitieren.« 59 Im Jahre 1955 kam Hesse nochmals auf das Verhältnis von Thomas Mann zu Fontane zu sprechen. Am Ende seines am Vorabend von Manns 80. Geburtstag in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlichten Glückwunschschreibens war zu lesen: »[…] obwohl ich sie seit dem ersten Lesen auswendig weiß,[habe ich] auch wieder die Schluß-Sätze Ihrer[im August 1948 erschienenen] Betrachtung ›Das Lieblingsgedicht‹ 60 nachgeschlagen. Es gibt zur Zeit keinen Autor unserer Sprache, der Ihnen so etwas nachmacht. Ich denke dabei nicht an die Syntax, wohl aber an den Tonfall der Sätze, und noch mehr an die behutsam dosierte Mischung von Liebe und Schelmerei darin. Sie ist moderner und pointierter als bei Ihrem Meister Fontane, aber durchaus seines Geistes.« 61 Das Thema abschließend äußerte sich Hesse dazu ein paar Jahre später in seinen Briefen an den Literaturwissenschaftler Hans-Heinrich Reuter
Heft
(2017) 104
Seite
162
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