Heft 
(2017) 104
Seite
164
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164 Fontane Blätter 104 Vermischtes Aufmerksamkeit vermeiden wollte, konnte sich zugleich auch dem Miss­trauen der deutschen Öffentlichkeit entziehen, denn es war unklar,»wie­viel Achtung oder Verachtung ihm von seiten seines ehemaligen deutschen Leserkreises entgegengebracht werden würde, wenn er wieder veröffent­lichte, nachdem er während des Krieges als Pazifist mancher heftigen per­sönlichen und öffentlichen Verleumdung ausgesetzt war«. 74 Doch das Publikum gab keine Ruhe. Schnell war klar, dass nur Her­mann Hesse der eigentliche Autor des Demian sein konnte. Hedwig Fischer (1871–1952), die Ehefrau seines Verlegers, bemerkte offenbar als erste des­sen Urheberschaft. 75 Im Mai 1920 deckte Otto Flake(1880–1963) in seinen Fünf Heften letztendlich das Pseudonym auf. 76 Hesse konnte sich nicht wei­ter verstecken. Anfang Juli teilte er seiner jüngeren, im Familienkreis ­Marulla genannten Schwester Marie(1880–1953) mit:»Es existiert jetzt immer noch etwas von mir, was ihr nicht kennt, ein Buch, das ich anno 17 geschrieben und später pseudonym herausgegeben habe. Es ist, unter seinem fremden Namen, unter der Jugend stark beachtet worden, hat einige Auflagen erlebt etc., aber jetzt zerren die Kritiker allzu heftig an meinem Pseudonym und es muß fallen.« 77 Und in einem Brief an Lisa ­Wenger(1858–1941), die Mutter seiner zweiten Ehefrau Ruth, stellte er re­signiert fest:»Die Rolle des beliebten Unterhaltungsliteraten, in die ich geraten bin, Gott weiß wie, ist gewiß die letzte, die zu mir paßt. Mein Ver­such, mit dem Demian mich dieser blöden Rolle zu entziehen und unbe­kannt zu bleiben, ist mißglückt.« 78 Desungeachtet riet ihm Hedwig Fischer:»Den Fontane-Preis sollen Sie natürlich behalten, da er nicht der Person, sondern dem Werk zuerkannt ist.« 79 Doch Hesse war solcherart Anerkennung nicht wichtig. Als seinem Alter Ego im Spätherbst 1919 die Auszeichnung 80 zugesprochen wurde, hatte ihm das lediglich den Kommentar entlockt:»Von Sinclair ist zu mel­den, daß der Demian den Berliner Fontane-Preis zugeteilt bekommen hat. Das Materielle ist fast nichts 800 Mark also etwa 130 Franken.« 81 Um allen Gerüchten um Sinclairs Identität ein Ende zu bereiten, be­kannte Hesse sich schlussendlich im Sommer 1920 zu seiner Verfasser­schaft. Und obwohl er von keiner Seite dazu aufgefordert wurde, gab er den Preis zurück. 82 In der von ihm dazu veröffentlichten Erklärung hieß es unter anderem: »Die Ansprüche auf Enthüllungen und psychologische Erklärungen über die Entstehung des Demian und die Gründe für seine Pseudonymität kann ich jedoch nicht erfüllen, auch nicht anerkennen.[] Ich habe, da nun einmal leider der Schleier zerrissen wurde, den Fontanepreis, der dem ­Demian erteilt wurde, zurückgegeben, und meinen Verleger beauftragt, künftige Neudrucke des Buches mit meinem Autornamen zu versehen. Ich halte meine Pflichten damit für erfüllt.« 83