Heft 
(2017) 104
Seite
173
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Theodor Fontane in San Diego 2016  Anderson 173 Passavant fragt, welchen Entwurf die Historie als die adäquatere Haltung gezeigt habe: die Anpassung von Melanie und Rubehn oder van der Straa­tens Unverbesserlichkeit. Anpassung hätte weder seinen noch Melanies Kindern gegen den biologischen Rassismus der Nazis geholfen. In seiner sturen Rolle als Plaudermaschine innerhalb der Novelle und als Philosoph der Klatschpoetik transzendiere van der Straaten Fontanes eigene politi­sche Bewertung. Brian Tucker, PhD Princeton University 2004, ist Associate Professor am Wabash College, Crawfordsville, Indiana, und verfolgt als Germanist psychoanalytische und ästhetische Ansätze. Sein Beitrag trägt den Titel Honnêteté: über die Rhetorik und Politik der Ehre in ›Schach von uthenow‹ 5 und arbeitet die politische Signifikanz dieses nicht nur persönlichen, son­dern auch sprachphilosophischen Begriffs aus. Der Wortbruch als Aspekt der Ehrlichkeit nehme eine Schlüsselstellung in diesem Roman ein, um Rhetorik und Politik auf der privaten wie politischen Ebene des Gesche­hens miteinander zu verbinden. Die Erläuterung durch den Brief der Figur Bülow am Ende des Romans wiederhole eine Tendenz in der historischen Schriftstellerei der damaligen Zeit, die den zunehmend empfundenen Ord­nungsmangel auf die Unverlässlichkeit der Sprache und letztlich der Be­deutung selbst zurückführe. Vielmehr argumentiert Tucker, dass Fontanes Roman erklären will, wie das Deutsche Reich zu dem wurde, was es war, und dass dies auf die Entscheidung zurückzuführen sei, nicht das zu sagen, was man meint. Kulturell bedingte Abwägungen machten die Sprache un­verlässlich und ließen sie zu einer Macht an sich anwachsen. Das Abwei­chen von der verlässlichen Sprache des Realismus sei die Wurzel politi­schen Versagens. Peter C. Pfeiffer, langjähriger Professor an der Georgetown University in Washington, D.C., eröffnete die zweite Diskussionsrunde mit einem se­miotischen Ansatz über Veränderte Medien, politische und historische Darstellung in Fontanes ›Die Poggenpuhls‹. 6 Das sogenannte Drei-Kaiser­Jahr 1888 erlebte bedeutende Umwälzungen: der erste Kaiser des Deut­schen Reiches, Wilhelm I., starb, sein Nachfolger, Friedrich III., erlag weni­ge Wochen nach der Thronbesteigung seiner Krankheit, und Wilhelm II., der der letzte deutsche Kaiser werden würde, trat seine lange Regierungs­zeit an. Obwohl die Darstellung auf das Jahr 1888 abgestimmt ist, gebe es im Roman eigentümlicher Weise nichts, was dieses politische Drama wi­derspiegelt. Dennoch spielten der alte Kaiser und die Kriege, die zur deut­schen Einigung geführt haben, eine bedeutende, wenn auch unterschwel­lige Rolle. Pfeiffer untersucht die verschiedenen Techniken, mit denen Fontane experimentiert hat, um die politische und historische Wirklichkeit jenes Jahres darzustellen. Der Dichter habe eine Reihe von Darstellungsmetho­den entwickelt, die sich entschieden von denen unterscheiden, über die er