Heft 
(2017) 104
Seite
174
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174 Fontane Blätter 104 Vermischtes verfügt habe, als er seine Karriere als erzählender Schriftsteller mit dem Geschichtsroman Vor dem Sturm begann. Er verwende verschiedene Spra­chen, Stile und Medien, um Bedeutung zu erzeugen und damit die zeitge­nössische Realität einzufangen: die mimetisch verankerte Sprache des lite­rarischen Realismus, die technische Wiedergabe kommerzieller Werbung, eine Reihe verschiedener Stile der Malkunst und Fotografie und schließ­lich das Medium Geld. Pfeiffer strebt damit eine Charakterisierung von Fontanes besonderem Verdienst um den modernen Roman und die Ästhe­tik der Darstellung politischer und historischer Realität an. In ihrem Vortrag Ausgleich und rechtes Maß in Theodor Fontanes ›Effi Briest‹ 7 untersucht Katharina Engler-Coldren, Doktorandin an der Freien Universität Berlin, die Konzepte»Ausgleich« und»das rechte Maß«. Letzte­rer charakterisiere nicht nur ethische Haltungen, sondern gebe auch Auf­schluss über Fontanes Realismus. Die Figuren suchten nach dem»rechten Maß«, das darin bestehe, sich in jeder Situation angemessen zu verhalten. »Maß« und»Ausgleich« beschrieben normative Ansprüche, denen sich die Figuren ausgesetzt sähen und an denen sie scheiterten. Sie stünden aber auch im Kontext eines zurückhaltenden Verhaltens, das es Effi ermögliche, sich bestimmten Ansprüchen zu entziehen und über Teile des Romans eine Haltung zu entwickeln, die eine Akzeptanz der Welt trotz all ihrer Unzu­länglichkeit und Bedeutungsarmut kultiviere.»Ausgleich« und»Maß« cha­rakterisieren aber auch den realistischen Stil Fontanes, der zurückhaltend Realität ästhetisch überforme. Für Fontane, der auch in seinen kritischen Schriften den Begriff»Maß« benutzt, bestehe das»rechte Maß« im ausge­glichenen Verhältnis von beispielsweise Detail und Komposition und in der Suche nach der dem Stoff angemessenen Form. Dadurch, dass Figuren und Erzählstimme weniger affirmieren und weniger bedeuten, gelinge es Fon­tane, menschlichem Verhalten und literarischem Realismus eine angemes­sene Form zu verleihen. Alexander Sorenson, Doktorand an der Universität von Chicago, sieht in seinem Beitrag Polis, Paralipse und Opfer durch Ertrinken in ›Unwieder­bringlich‹ 8 (1892) eine Dichotomie zwischen politischer Außen- und Innen­welt subjektiver wie auch häuslicher Art. Das Verhältnis der Protagonisten zueinander überbrückte diese Konstruktion: Holks Affären entfalten sich auf der öffentlichen Bühne des dänischen Hofes, während seine fromme, introspektive Frau Christine ihrer Einsamkeit und Verzweiflung überlas­sen werde. Während Holks Aktivitäten als Metapher für öffentliches Auf­treten und Voyeurismus dienten, illustriere Christines Eingeschlossenheit in einem Haus am Meer Walter Benjamins Wort von der»Schatten- und Nachtseite« der Dinge und der alltäglichen Wirklichkeit. Zusätzlich zum Motivischen und Ethischen will Sorenson zeigen, dass der zugrundeliegende Gegensatz von Sichtbarkeit und Nebensächlichkeit eine narratologische Dimension erreiche, denn Christines Einsamkeit und