Heft 
(2017) 104
Seite
175
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Theodor Fontane in San Diego 2016  Anderson 175 pietistische Resignation gipfeln in einem Tod durch Ertrinken, der sich er­zählerisch und topographisch als versteckte Paralipse vollzieht. Diese Sichtweise ermögliche eine fruchtbare Analyse der vielschichtigen Konse­quenzen aus dem politischen und persönlichen Bereich als natürlicher und glücklicher Gegenstand realistischer Darstellung gegenüber der Schatten­seite, jenem unsichtbaren, unsicheren Raum, der sich jenseits gesellschaft­licher, subjektiver und mimetischer Ordnung ergebe. Die Studie schlägt vor, diesen begrenzten Raum zwischen der Stadt(polis) und dem Zuhause (oikos) oder auch: auf und hinter der Bühne in Verbindung mit Wasser und Ertrinken zu interpretieren. Unter Berücksichtigung des antik-tragi­schen und modernen poetologischen Echos von Unsichtbarkeit, die diesen Zwischenraum durchdringen, wird dieser als ein Ort des Opferbringens postuliert. Traditionell rufen die thematischen und poetischen Eigenschaften des Ertrinkens gewalttätige, unterdrückende Opferhandlungen hervor. Dem wird hier entgegengehalten, Christines unbezeugtes Ertrinken gehöre vielmehr zum psychomachischen Raum religiösen Glaubens und ethischer Krise, da es in symbolischer Kontrapunktik mit Holks öffentlichem, untreu­em Auftreten stehe. Zu diesem Zweck werde die Philosophie Søren Kierke­gaards als exegetische Lupe bemüht. Die Opferbereitschaft werde als die Klammer zwischen dem Politischen und dem Spirituellen, dem Sichtbaren und dem Versteckten, der erfassbaren Welt und des unwiederbringlichen Schweigens gelesen. Die letzten zwei Beiträge fanden schon am ersten Morgen in sessions statt, die nicht Dichter-spezifisch waren: Alexander Phillips, seit der Promotion an der Cornell University 2015 Collegiate Assistant Professor der University of Maryland European Divi­sion durfte sein paper: Generalweltanbrennung: Poetik und Politik des An­thropozän in Theodor Fontanes ›Der Stechlin‹ 9 unter der Rubrik Anthropo­zän-unverwüstlich-Gewalttätiges halten. Trotz Fontanes Ruf als Porträtist der preußischen Gesellschaft im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert sei das poetische Projekt seines letzten vollendeten Romans, Der Stechlin, von weltweiten Umweltveränderungen im Zeichen des industriellen Kapi­tals weithin geprägt. Solche Veränderungen fänden ihren Niederschlag in den vielen, oft flüchtigen Details, die den Stoff der Causerie sowie die Schilderungen der brandenburgischen Landschaft ausmachen. Zusam­men betrachtet deuteten diese Details auf eine sich entwickelnde anthro­pozäne Realität hin, die gerade durch die Verbindungen zwischen der ver­meintlich provinziellen Mark Brandenburg und der weiteren Welt sichtbar werde. Der Rauch von den Glashütten am Stechlin, die Kalkgruben am Ufer der Spree, die Telegraphendrähte und Eisenbahnschienen, die Aloe­pflanzen im Garten vor dem Herrenhaus und der See selber seien Teile ei­nes sozioökologischen Netzwerks, das man im 21. Jahrhundert mit dem