Heft 
(1966) 3
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kelschen Entwürfen gefertigten Möbel bezogen hatten, trug diesen Namen, und Fontane gedenkt ihrer in denKinderjahren.)

Etwas Festes, Solides, Zuverlässiges : entsprechend achtungsvoll, aber kühl fällt das Porträt der Emilie Fontane, geb. Labry, in denKinder­jahren aus, nicht minder das ihres Eben- und Nachbildes Mathilde Möh- ring (aller äußeren Unterschiede unerachtet) bis hin zum Rasseln des Schlüsselbundes. Insbesondere mit einem Vorwurf läßt er die Mutter immer wieder dem Vater gegenübertreten; es ist derselbe Vorwurf, gegen den sich Fontane selbst im Verlauf einer fast fünfzigjährigen Ehe in zahl­losen Briefen (nicht immer ganz überzeugend) vor der eigenen Frau zu verteidigen gesucht hatte: der des männlichen Egoismus. In demselben Monat, fast auf den Tag genau, da er mit der Niederschrift seinerKin­derjahre begann, ging er so weit, diesen Vorwurf nicht mehr zu ent­kräften, vielmehr seinenEgoismus zu rechtfertigen. Nachdem er in einem langen Briefe an Friedlaender von den familiären Sorgen und Nöten des zurückliegenden Krankheitsjahres 1892 berichtet hat, schreibt er:Es gibt einen Egoismus, der die vollkommenste Berechtigung hat, weil er nur Abwehr, Selbstverteidigung ist. Das ,Ich zu opfern ist etwas Großes, aber es ist eine Spezialbeschäftigung,... ein Etwas, das man bewundert, danach man aber unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht leben kann (7. 11. 1892).

Der Erzähler derKinderjahre führt nun einige drastische Beispiele für den Egoismus seines Vaters an; wiederum ist fast immerdas Recht auf der Seite der Mutter, die Sympathie auf der des Vaters. Ja, die müt­terlichen Vorwürfe scheinen auch hier zuletzt nur die Funktion der Folie zu haben: den trotz aller Schwächen und Fehler liebenswürdigen Charak­ter des Vaters ins hellste Licht zu setzen.

Es ist nun sehr aufschlußreich, daß Fontane keineswegs immer zu solch wohlwollender Beurteilung des Vaters bereit gewesen war im Gegen­teil. In Briefen, die er als Dreißigjähriger geschrieben hatte, finden sich ganz andere Äußerungen; die härteste, ausgesprochen in einem Briefe an Bernhard v. Lepel, wenige Tage nachdem Fontane den Apothekerberuf endgültig aufgegeben hatte, lautet wie folgt:Es könnte alles anders sein! Sieh, das verbittert mich jetzt, zu Zeiten, bis ins tiefste Herz. Der Egoismus meines Vaters, der immer Geld hatte für Wein und Spiel, und nie für Erziehung und Zukunft seiner Kinder, hat schlimme Frucht ge­tragen. Man ließ mich Apotheker werden, weil man das Geld verprassen wollte, was zur Ausbildung der Kinder hätte verwendet werden müssen, und jetzt, wo sich die Reue darüber leise im Herzen regt, ist es zu spät: die Not ist da, der Bankrutt bricht herein jetzt kann niemand mehr helfen. Ich habe von Haus aus sehr trübe Nachrichten, die wenig ge­eignet sind, mich frei und froh in die Zukunft blicken zu lassen (5. 10. 1849). Diesehr trüben Nachrichten bezogen sich auf den Verkauf der väterlichen Apotheke in Letschin im Oderbruch. (Fontane ließ später seine KriminalerzählungUnterm Birnbaum in einem Oderbruchdorfe spielen; wie des Dichters Vater,hat auch der Held dieser Erzählung, Abel Hradscheck, ein Vermögen im Glücksspiel verloren, und stürzt sich und seine Frau in schuldhaftes Verhängnis.) Die Mutter hatte sich vom Vater bereits zwei Jahre zuvor getrennt und war nach Neuruppin gezogen, wo sie mit ihrer jüngsten Tochter Elise (18381923), die erst Jahre nach dem Tode der Mutter heiratete, zusammenlebte. Eine förmliche Eheschei­dung der Eltern erfolgte nie.

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