Heft 
(1966) 3
Seite
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Fontane auf sich und ihn beim kurzen Verweilen unter einem .Volks­stamm voller .Haltung und Straffheit, dessen.bloßen Anblick er .reizend fand, zum Nachdenken veranlaßten. Gleich ob es sich dabei um Fragen des ethnischen Bereiches der Sorben und um den germanischen Staat, ob um Volkstracht oder Pietismus oder auch um historisch greifbare Ge­stalten wie den Lübbenauer Pastor und die Burger Post handelt: was Fontane des Beachtens und des Erwähnens wert fand, waren echte Probleme und in ihrer Art typische Erscheinungen der Zeit und der Landschaft. Wenn auch verständlicherweise ein so kurz befristeter Aufent­halt nicht die ganze Hintergründigkeit und Tiefe flüchtiger Impressionen aufdecken konnte, ließ sich Fontanes scharfer Blick auf das Echte und Wesentliche doch nur selten blenden.. ..

Es läßt sich durchaus behaupten, daß das Spreewaldfeuilleton des damals noch nicht ganz vierzigjährigen Fontane bereits einige wesentliche Ele­mente der Kunst des späteren Romandichters vorweggenommen hat. Die Fontaneforschung hat mit Recht betont, daß er an seinen Wanderungen ,zum Dichter heranwuchs und hat spätere Romangestalten oft mit er­wanderten Vorbildern aus seinen Studienfahrten identifizieren können.

Theodor FontanesEffi Briest

titulierte Dr. habil. Hans-Werner Seiffert (Deutsche Akademie der Wis­senschaften, Berlin) seinen, den Kreis der Referate abschließenden Vor­trag:

Fontanes Effi Briest mit Thomas Mann möchte ich sagen: ich frage mich, ob man sich klar darüber ist, vor welches heikle Thema ich gestellt bin? Vielleicht nicht in dem Sinne, den Thomas Mann meinte, als er nach dem Verhältnis von Künstler, Kunstwerk und Gesellschaft fragte das ohnehin eingeschlossen, sondern mehr im Hinblick auf die Bewer­tung der literarisch-historischen Einschätzung unter dem Aspekt der heute bekannten Materialien zur Entstehungsgeschichte. Der Bogen der Beur­teilung spannt sich, wenn von ,Effi Briest gesprochen wird, vom soge­nannten .Roman der Sentimentalität bis zur .Abrechnung mit der Moral des zeitgenössischen Junkertums, um mit zwei Meinungen Auffassungen zu charakterisieren, die nicht das Ganze erfassen, so berechtigt sie im einzelnen sein mögen....

Das Sozialpsychologische hat Fontane immer wieder angezogen. Wir kön­nen uns schon deshalb nicht einer alten Meinung anschließen, man sollte dem Dichter danken, daß Effi das ganze Interesse auf sich gezogen habe und nicht das Problem, das wir aus den soziologischen Gegebenheiten der Zeit und insbesondere auch aus dem Fall Ardenne zu zeichnen ver­sucht haben. Das macht Fontane zum Dichter von Rang, daß er es ver­standen hat, uns mitten in die Gesellschaft zu versetzen, daß wir teil­nehmen an ihren Gesprächen und Gefühlen, als gehörten wir dazu.... Den Fall Ardenne vor Augen, reizt Fontane die Darstellung des Problems unschuldig-schuldig, und zwar für beide, für Instetten sowohl als auch für Effi. Sein Richtspruch trifft die Gesellschaft der Zeit. Daß er ihn nicht pathetisch formuliert wie Spielhagen, sondern ihn in allen Lebens­bereichen wirksam werden läßt, beweist seine reife Kunst.

... Man muß sich bewußt sein, daß der sogenannte ,Roman der guten Gesellschaft als Typus nur wenig Variationsmöglichkeiten besitzt. Daher wirkt er oft klischeehaft, und das bis in die Führung des Gespräches hinein. Ich meine aber, wenn man alle durch die Gesellschaft und ihren

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