Heft 
(1966) 3
Seite
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wurde. Sagave behandelt besonders die Rolle der sogenannten Kriegs- partei am preußischen Hof, deren Seele Königin Luise und dessen Haupt der 1806 bei Saalfeld gefallene Prinz Louis Ferdinand waren. Fontane schildert den Salon des Prinzen als den Treffpunkt aller oppositionellen Elemente, als den Stützpunkt aller Mißvergnügten. Die Berliner Salons, in deren Blütezeit, im Gegensatz zur Zurückgebliebenheit der Hofkreise und des Offizierskorps, Weltgeist und literarische Bildung tonangebend waren, werden von Sagave in einem besonderen Abschnitt behandelt. Der Salon der Frau von Carayon steht imSchach in engen Beziehungen zum berühmten Salon der Rahel. Fontane stellt das Streitgespräch zwischen Bülow und Schach im Salon der Frau von Carayon in den Mittelpunkt, dabei Bülow als den Widersacher des Helden der Erzählung, Schachs, darstellend.

Es ist m. E. ein Verdienst Sagaves, darauf hingewiesen zu haben, daß Fontane mit Bülow eine historische Persönlichkeit in seine Erzählung eintreten läßt. Es handelt sich um den in der Vergangenheit von einer reaktionären preußisch-deutschen Geschichtsschreibung nahezu totge­schwiegenen Militärschriftsteller Heinrich Dietrich von Bülow (1757 bis 1807). Bülow war ein Bruder des Generals Friedrich Wilhelm von Bülow, der 1813 zum Schutze Berlins die siegreichen Schlachten von Großbeeren und Dennewitz schlug. Heinrich Dietrich von Bülow hatte an dengehei­ligten preußischen Traditionen gerüttelt und schon in den neunziger Jahren erkannt, daß die Angriffsmethoden Friedrichs II., denen in der friderizianischen Armee unbedingte Gültigkeit zugesprochen wurde, auf die Schwächen der Gegner berechnet waren. Bülow war ein scharfer Kritiker des Exerzierdrills und der erstarrten Lineartaktik der preußischen Armee. Die durch die französische Revolution veränderten politischen Verhältnisse führten dagegen in Frankreich zu Formen des Angriffs, die den neuen gesellschaftlichen Bedingungen entsprachen und den Schwung der revolutionären Begeisterung ausnutzten. Die Revolutionsheere griffen in tiefgestaffelten, breiten und wuchtigen Kolonnen an, verstärkt durch Artilleriemassen und starke Kavallerie, die die Flanken schützte. Bülow hatte sich vor allem auch sehr kritisch mit der zaristischen Führung in der Schlacht bei Austerlitz 1805 auseinandergesetzt und durch seine Schriften den Haß aller rückschrittlichen Elemente auf sich gezogen. Überschattet wird Fontanes historische Erzählung von dengeschicht­lichen Ereignissen und Gestalten, die von Kaiser Napoleon I. Persönlich­keit bestimmt werden. Bülow hatte in seiner anonymen Schrift über Napoleon im Jahre 1804 des Korsen Tatkraft, Zielbewußtheit und die Kunst der Menschenführung hervorgehoben. Sagave weist auf die zeit­beherrschende Gestalt, die Napoleon gegenübersteht, Alexander I. von Rußland, hin. Der Zar hatte infolge seines gewinnenden Einflusses zahl­reiche Bewunderer am preußischen Hof und im preußischen Offiziers­korps. In diesem Abschnitt lenkt der Pariser Literaturwissenschaftler die Aufmerksamkeit auf zwei wichtige politische Ereignisse, die imSchach von Fontane erörtert werden, nämlich den Berliner Vertrag vom 4. (No­vember 1805 zwischen Friedrich Wilhelm und Napoleon und die Haug- witzsche Mission beim Kaiser. Seit der Haugwitzsdien Mission gab es in Berlin drei Parteien, eine franzosenfreundliche, eine abwartende und die bereits erwähnte Kriegspartei. Der Haß der Kriegspartei entlud sich gegen Haugwitz, der einen Vertrag mit Napoleon unterschrieben hatte.

Das Resümee des Pariser Literaturwissenschaftlers, Professor Dr. Pierre- Paul Sagave, erscheint dem Rezensenten politisch so bedeutungsvoll, daß

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