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Schmiedeberg im Riesengebirge, den 10. Juli 03
Hochgeehrter Herr!
Im Anschluß an unsere letzte, beinahe jährige Correspondenz erlaube ich mir wiederum einige Zeilen. Zunächst möchte ich auf die 286 ungedruckten Briefe Ihres theuren Vaters zurückkommen. Ich möchte in der Angelegenheit nichts ohne Ihr Wissen u. ohne Ihre Billigung thun. Eine Mei- nungs-Aeusserung Ihrer Frau Schwester ist inzwischen nicht erfolgt, — wenigstens mir nicht bekannt geworden. Ich weiß aus dem Munde Ihres Vaters, daß eine Commission gebildet werden sollte (:bestehend aus Ihrer Fr. Schwester, Paul Schienther u. Rechtsanwalt Stern 8 :), welche über den litterarischen Nachlaß Ihres Vaters verfügen sollte. Es ist mir nun allerdings rechtlich zweifelhaft, ob Briefe an Privatpersonen auch hierher gehören. Von vorn herein dürfte das nicht der Fall sein, — aber meinerseits würde Nichts veröffentlicht werden ohne Ihre Billigung.
Von verschiedenen Seiten bin ich nun wiederholt ersucht, eine Publica- tion eines Theils der an mich gerichteten Briefe zu bewirken. Es sind wichtige Stimmen, die sich dafür erhoben haben, Stimmen, die wenigstens für mich recht bedeutungsvoll sind. In der Litteratur angesehene Männer meinten es, so z. B. Gerhart Hauptmann, der mir persönlich die Herausgabe zur Pflicht machte, — eine Anzahl Andere, und die Auswahl der Briefe will die Palastdame der Kaiserin Friedrich, Grfn Brühl, 9 mit mir besorgen, was zugleich dafür bürgt, daß nichts politisch Anfechtbares veröffentlicht wird, — ebenso wenig wie gesellschaftlich Ünwesentliches oder Gefährliches. — Ferner interessirt sich Frau Erbprinzessin von S. Meiningen 10 f. d. Sache. Ihre Kgl. Hoheit hatte mich vor kurzem nach Liebenstein eingeladen, wo auch diese Veröffentlichung lebhaft besprochen wurde. Beide höchste Herrschaften — Erbprinz u. Prinzessin — verehren Th. Fontane sehr, (:den sie allerdings wesentlich durch Vorträge u. Vorlesungen von mir erst kennen gelernt haben:) u. Beide haben das in den letzten Tagen in Liebenstein wiederholt ausgesprochen. Kommt es nun, wie ich so gern möchte, zur Herausgabe einer Briefauswahl, so will Ihre Kgl. Hoheit die Widmung gern annehmen. Das wird dem Buche gewiss nicht schaden. Bitte überlegen Sie ferner, ob es sich für mich nicht am besten schicken würde, die Herausgabe zu besorgen. Nicht allein, weil die Briefe an mich gerichtet sind, sondern weil Niemand dieselben besser commen- tiren kann. So sind ganze Partien dabei, die sogar Niemand versteht, wenn er nicht die Zeit u. Umstände u. die betr. Personen kennt. Grfn Brühl weiss Bescheid in den höchstinteressanten und allgem. interessf-
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